Kommentar zur MS-Partnerkonferenz 2013: “Beerdigt die Toten”

Axel Oppermann - 2013 (c) Axel OppermannDer im Microsoft-Umfeld bestens bekannte Analyst Axel Oppermann war am Dienstag und Mittwoch ebenfalls in Kassel auf der diesjährigen Microsoft-Partnerkonferenz. Von den 38.000 deutschen Microsoft-Partnern sind 1.500 an den “aufstrebenden geografischen Mittelpunkt der Republik” gepilgert, um zu erfahren, wohin die Reise mit dem großen Lieferanten aus Redmond in Sachen “Service- und Device-Company” führt. Im Nachgang zieht Axel nun ein sehr pointiertes Fazit, in dem er vor allem mit Partnern, die sich den von Microsoft forcierten Zukunftsthemen wie der Cloud verweigern, hart ins Gericht geht. Ich zitiere im Folgenden ein paar seiner zentrale Aussagen, von denen sich das Gros der Sharepoint-Partner vermutlich nicht angesprochen fühlen, aber diese dennoch mit Interesse goutieren dürfte:

Eine Herde von „Vegetariern“ ist in einem von „Omnivoren“ (Allesvertilgern) gemieteten Saal fehl am Platz. Das heißt, Systemhäuser und Dienstleister, die sich weiterhin ausschließlich im klassischen Microsoft On-Premise-Geschäft tummeln, und keine – aber auch wirklich keine Ambitionen haben, kleinste Veränderungen mitzumachen, sollten sich weiterhin auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und den Platz für neue oder andere Unternehmen freimachen. Es gilt die Devise „Beerdigt die Toten – sie verpesten die Bar.“

Wenn Microsoft nicht wie andere einstige IT-Größen grandios scheitern will, muss das Credo „Aktion statt Reaktion“ vorherrschen.

Genauso wie eine Mutter kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn sie nicht stillen kann oder will, wird Microsoft eher früher als später auch kein Problem damit haben, Partner, die die aktuelle Linie nicht verfolgen, „abzustillen“. Für den Channel übersetzt bedeutet dies: Die Zitze Microsoft wird für diejenige versiegen, die beißen.

 

Hier der Meinungsbeitrag von Axel Oppermann im Volltext:

Microsoft & die Partner – oder wenn Omnivoren auf Vegetarier treffen

Zentraler ging es nicht: Kassel, als aufstrebender geografischer Mittelpunkt der Republik, bot das Bühnenbild und war Austragungsort der für Microsoft wichtigsten Partnerveranstaltung in Deutschland. Diese Veranstaltung hat auch direkte Auswirkungen auf Anwenderunternehmen. Unter dem Motto „Zukunft im Blick – Aufbruch in eine neue Ära“, hatte Microsoft Deutschland in diesem Jahr zur Deutschen Partnerkonferenz in die hessische Metropole und inoffiziellen IT-Cluster geladen. Ziel war es, mit dieser Veranstaltung die über 38.000 Partner in Deutschland im Jahr 1 nach dem größten Launch-Jahr der Unternehmensgeschichte zu unterstützen, weiterhin die Transformation auf die neuen Anforderungen des Marktes, sowie denen von Microsoft selbst, zu beschleunigen. Es galt aber auch, den über 1.500 Teilnehmern unmissverständlich klarzumachen, wie Microsoft sich als „Service- und Device“-Company definiert, wo die Reise hingeht und was von Partnern erwartet wird. Vielleicht war auch deshalb die Stimmung, mit einigen Ausnahmen, wie bei der hervorragend choreografierten Abschluss-Keynote, überwiegend entspannt im prächtigen Kongress Palais Kassel. Die historischen Gemäuer haben schon so einiges erlebt und wurden nun Zeitzeugen intensiver Gespräche der Speerspitze der deutschen Microsoft Partner.

Microsoft präsentierte die eigene Geschäftsstrategie im Kontext der zentralen Gesellschafts- und Branchentrends – darunter Mobile Internet, Cloud Computing, Big Data / Machine Learning und Social – und stellte die Perspektiven für die eigenen Partner in den Vordergrund. Neben den großen Trends zählen Windows 8, Tablets, Apps und Phone sowie die Collaboration- und Communication-Lösungen von Office 365 zu den Prioritäten für das aktuelle Geschäftsjahr von Microsoft. Im Kontext hierzu steht insbesondere die Wettbewerbssituation zu Google, VMware und AWS (Amazon).
Dabei gilt zweifelsohne zu konstatieren, dass Microsoft in den zentralen Bereichen – sei es Cloud oder Big Data – gut bis sehr gut aufgestellt ist, in anderen Bereichen wie Mobile Computing oder Social auf einem guten Weg ist. Fraglos ist allerdings auch, dass viele Fehleinschätzungen von Trends, oder falsche Weichenstellungen in der Vergangenheit, heute ein massives Gegensteuern erfordert. Als gesichert kann auch die Erkenntnis angesehen werden, dass die Partner in den vergangenen Jahren – und aktuell – sehr gutes Geld mit und durch Microsoft verdienen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass trotz aller ideeller und monetärer Unterstützung seitens Microsofts eine Vielzahl von Partnern gegen massive Ressourcenprobleme – namentlich fehlendes Personal – kämpfen muss.

Was gesagt werden muss

Was aber an dieser Stelle gesagt werden muss: Eine Herde von „Vegetariern“ ist in einem von „Omnivoren“ (Allesvertilgern) gemieteten Saal fehl am Platz. Das heißt, Systemhäuser und Dienstleister, die sich weiterhin ausschließlich im klassischen Microsoft On-Premise-Geschäft tummeln, und keine – aber auch wirklich keine Ambitionen haben, kleinste Veränderungen mitzumachen, sollten sich weiterhin auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und den Platz für neue oder andere Unternehmen freimachen. Es gilt die Devise „beerdigt die Toten – sie Verpesten die Bar.“ Ich will hiermit nicht zu blindem Gehorsam aufrufen. Und nicht alle Ziele, Strategie oder Vorhaben von Microsoft sind zielführend oder stiften für Dritte (Partner, etc.) einen Nutzen. Auch will ich nicht verharmlosen, dass für Microsoft und die Partner das klassische Kerngeschäft von enormer Bedeutung ist. Hier wird noch auf absehbare Zeit der dominierende Teil des Umsatzes und des Profits erarbeitet und nicht zuletzt die Transformation durch angepasste Lizenzierung und erhöhte Preise finanziert. Aber wenn Microsoft nicht wie andere einstige IT-Größen grandios scheitern will, muss das Credo „Aktion statt Reaktion“ vorherrschen.
Integratoren und Softwareentwickler im Microsoft-Universum müssen bei ihren Betrachtungen gewahr sein, dass Deutschland trotz des relativ (und absolut) hohen Umsatz für Microsoft nicht der Nabel der Welt ist. Trotz hoher Erträge im Kerngeschäft sind neue Märkte, die im Zukunftsgeschäft stark wachsen, lukrativer und strategisch relevanter. Und vor diesem Hintergrund können schnell einmal einige Marketing-Millionen, die heute noch Projekten zur Ausbildung von Menschen in Deutschland oder Dialogkampagnen der Partner zugutekommen, nach Asien oder Südamerika verschoben werden. Partner sollten in diesem Kontext auch einmal reflektieren, dass bereits heute eine Vielzahl der in Deutschland erzielten Microsoft-Erlöse anderen Ländern zugewiesen werden. Das heißt, der Umsatz (aus Anwendersicht die Beschaffung) der Lizenzen erfolgt in Deutschland, der Einsatz allerdings in China, Brasilien oder Burma. Somit ist heute schon Deutschland aus Sicht einer Microsoft eher ein Markt, der Absatz generiert, als Deployment bewirkt. Beide aufgezählte Beispiele haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die Partner in Deutschland.
Es muss deshalb klar sein, dass genauso wie eine Mutter kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn sie nicht stillen kann oder will, wird Microsoft eher früher oder später auch kein Problem damit haben, Partner, die die aktuelle Linie nicht verfolgen, „abzustillen“. Für den Channel übersetzt bedeutet dies: Die Zitze Microsoft wird für diejenige versiegen, die beißen.

Was bleibt

Stellen Sie sich einmal vor: Sie leben in einem Land, in dem Unternehmen nahezu problemlos polnische Facharbeiter einstellen, spanische Raumpfleger anheuern oder griechische Köche in ihren Kantinen beschäftigen können. Allerdings ist es in diesem Land – nennen wir es mal Deutschland – nicht möglich, auf europäischer Ebene Daten so zu speichern und zu routen,
dass alle Anforderungen an Datenschutz, steuerliche Vorgaben und sonstige Vorschriften aus Abgabenordnung & Co. erfüllt werden – respektive die Entscheider in den Unternehmen das Gefühl hätten, dem wäre so. Und stellen Sie sich nun vor, Ihnen wird vorgegeben, genau diese Aufgabe, nämlich den Verkauf von Cloud-Lösungen zu forcieren. Zum neuen Kerngeschäft zu machen. Mit Sicherheit keine angenehme Aufgabe. Oder stellen Sie sich vor, sie wären ein Pferd im Zirkus und könnten nur einen Trick. Zum Beispiel durch einen Reifen springen. Entwickeln Sie diesen Gedanken weiter: Stellen Sie nun vor, sie bekommen vom Zirkusdirektor die Aufgabe, zukünftig auf einem Hochseil zu tanzen. Würden Sie es schaffen? Würden Sie es machen? Ich glaube, die wenigsten würden sich so demütigen lassen. Sie sind ja immerhin Black Beauty – oder denken es jedenfalls. Sie haben dem Zirkus in den letzten 20 Jahren nicht nur zahlende Zuschauer geliefert, sondern Sie sind der Kern der Show! Allerdings: Die Konsequenzen müssen klar sein. Kein Kunststück auf dem Seil bedeutet für das Pferd, auch kein Zucker-Leckerli – und mittelfristig die Reise zum Abdecker. Übertragen auf die Analogie mit den Omnivoren auf Vegetariern: Wer kein Fleisch will, bekommt auch keine Milch.

Aktuelle Partner von Microsoft, die den eingeschlagenen Weg von Microsoft nicht mitgehen wollen, wird empfohlen, sich nach Alternativen umzuschauen. Hierzu zählt die Forcierung des aktuellen Kerngeschäfts, Sicherung der Kundenbeziehungen und Bindung der Mitarbeiter. In diesem Kontext darf aber nicht vergessen werden, dass sich nicht nur die Anforderungen der Anbieter wie Microsoft ändern. Vielmehr werden Kunden in drei bis fünf Jahren ganz andere Anforderungen haben, die es zu befriedigen gilt. Und talentierte Entwickler wollen regelmäßig am Puls der Zeit agieren. Somit sind mindestens zwei der drei zentralen Aufgaben der Sicherung der Produktivität des eigenen Unternehmens massiv gefährdet.

wm@sharepoin

14 Comments

  1. Wie kann man vor der Realität dermaßen die Augen verschließen und solch eine dumme, schlichtweg polarisierende Haltung einnehmen?! Warum verschließen sich Unternehmen mehr und mehr vor Cloudlösungen? Was soll man argumentieren, wenn potenzielle Kunden auf aktuelle Beispiele wie die Ausspähung von Konstruktionsdaten bspw. von Enercon hinweisen (http://ow.ly/qaL6b)? Für MS-Partner die von ihrer täglichen Arbeit leben müssen (und nicht von medialer Polemik) sind Kundenanforderungen maßgeblich und kein WünschDirWas! Vielleicht sollte Microsoft sich eher fragen, ob deren Leitlinie „Unbedingter Cloudnutzung“ kompatibel mit den realexistierenden Kundenanforderungen ist – sonst müssen sich MS-Partner tatsächlich nach neuen Ökosystemen umschauen, aber letztlich nur, weil es für deren Angebot keine Nachfrage mehr gibt…

  2. Hannes, das Microsoft-Universum ist mehrdimensional. Axel Oppermann ist in Unterschleißheim und bei deutschen CIOs fast so bekannt wie ein bunter Hund. 🙂

  3. „bestens bekannt“ wirklich? Zumindest ich kenn ihn nicht.
    Das war damit auch gar nicht gemeint.
    Wer ist Axel Oppermann …, das er im rotzfrechen Sascha Lobo Blender Stil sich zum verkünder von absolut Weisheiten aufschwingt. Die Welt ist, vor allem für Microsoft, viel komplexer als man das mit kleinen Bildgeschichten erklären könnte

  4. Dann muss der bunte Hund drauf achten, dass er seine Knochen kriegt.
    wes Brot ich ess, des Lied ich sing

  5. @Hannes: Es gibt bewährte Sichten auf den komplexen Microsoft-Kosmos, und eine davon ist die Partner-Sicht. Axel befasst sich genau mit diesem Teilaspekt, und die Partnerkonferenz war ein guter Anlass dazu. Jenseits seiner Zuspitzungen hat er hier auch gute Argumente gebracht zu den Problemen, mit denen viele Partner konfrontiert sind. Die Cloud jedenfalls ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen, und Microsoft hat darauf umfassend reagiert und das Ruder ziemlich hart rumgerissen. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass das keine Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Partner hat. Ebensowenig, dass Partner, die sich dem Wandel nicht stellen (wollen), in Probleme laufen werden. Da es aber offenbar noch viele gibt, die eher Microsofts Kurs kritisieren, als sich auf die unvermeidlichen Veränderungen einzustellen, halte ich eine zugespitze oder auch polemische Kritik daran für legitim. – Inwiefern Anwender ein Problem damit haben, wenn sie Microsoft tatsächlich in die Cloud zwingen sollte, sehe ich noch einmal als ein separates Thema, das sicherlich noch kontrovers diskutiert werden dürfte.

  6. Spannendes Thema, keine Frage. Und sicher ist die Cloud auch in vielen Szenarien eine sinnvolle Ergänzung. Die Frage ist aber eine andere – vor allem für Partner:

    Womit lässt sich dabei – nachhaltig – Geld machen? Die kleine Provision, die ich von MS bekomme, wenn ich Kunden in die Cloud bringe, die z.T. auch noch einfach so gekürzt wird? Mit Support-Dienstleistungen in Systemen, die ich kaum beeinflussen kann? Mit Entwicklung von Komponenten, die ich dann nur sehr funktional umsetzen kann (siehe SharePoint) und dann für 0,99 € im App-Store verkaufen kann?

    Und was passiert, wenn mal etwas nicht läuft (siehe Update-Probleme in der Cloud seitens MS)? Wer ist dann Ansprechpartner?

    Selbst bei hybriden Szenarien geben Partner eine Menge Verantwortung aus der Hand, was sicher nicht gut ist. Wenn ich mit meinen Kunden einen Vertrag habe, dass ich für die Sicherheit, die Lauffähigkeit und die Verfügbarkeit der bereitgestellten IT-Komponenten hafte / dafür verantwortlich bin, wie löse ich das dann in Cloud- / bzw. Hybridszenarien vertraglich?

    Ich glaube, dass dieser Trend ein ganzes Ecosystem verändert wird und die eigentlichen Verlierer am Ende IT-Dienstleister und deren Kunden sind. Und weil Partner und IT-Dienstleister das wissen, laufen sie dagegen Sturm. Einzig richtig.

    Und von daher kann ich den Kommentar von Hannes nur verstehen. Schauen Sie sich mal die Beiträge von Herrn Oppermann auf Youtube an. Ist der der IT-Messias oder was? Klingt stark nach Befangenheit könnte man meinen…

  7. Die Cloud ist mit Sicherheit keine Lösung für alle Kundenszenarien, und sie birgt eine Menge an neuartigem Problempotenzial, auf das Partner verständlicherweise wenig Lust haben dürften. Ich erlebe so eine Situation gerade selber bei meinem Office 365-Account, wo eine Basisfunktion seinen Dienst versagt, und der Support seit einer Woche im Nebel stochert. Wenn so etwas bei einer Kundenlösung mit 100en oder 1000en Benutzern passiert, dann ist der Teufel los.
    Aber egal wie die beteiligten Parteien dazu stehen findet der Marsch in die Cloud de fakto statt, indem Anwender in Unternehmen bestimmte Aufgben mit Dropbox, Google Docs etc. erledigen. Microsoft und die Partner müssen hier, ob sie wollen oder nicht, einen Weg finden, um die Kunden auch bei solchen Bedürfnissen abzuholen.

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