Analystenbeitrag: Die Zukunft von Microsoft Office beginnt jetzt – mit dem Office Graph und Delve
Microsoft hat auf der SharePoint Conference im März eine für die Zukunft seines Office Systems wegweisende Neuentwicklung verkündet: Den Office Graph und die darauf aufsetzende erste Anwendung Delve (Codename Oslo). Im Prinzip übertragen die Redmonder dabei bekannte Grundfunktionen von sozialen Netzen wie Facebook oder Yammer auf die Office-Welt: Das auf Office 365 basierende System sammelt definierte Signale wie Bewertungen, Zahl der Nutzer/Leser, Vernetzungen, Kommunikation und Ähnliches, um die Relevanz von Dokumenten zu bewerten und dann den Benutzern die für ihren Arbeitskontext jeweils passenden Dokumente automatisch anzubieten.
Nachdem Microsoft Delve vorletzte Woche offiziell ankündigte, erörtert nun Axel Oppermann, Analyst und Inhaber der Avispador GmbH, im folgenden Beitrag ausführlich die grundlegenden Möglichkeiten der neuen Technologie, die Chancen für Unternehmen und die strategische Bedeutung für Microsoft.
Die Zukunft von Microsoft Office beginnt jetzt – mit dem Office Graph und Delve
Von Axel Oppermann, Avispador GmbH
Entscheider in Unternehmen, seien es IT-Leiter, Fachabteilungsleiter oder Verantwortliche für die Organisationsentwicklung, sollten sich mit Lösungen wie Office Graph und Delve beschäftigen. Sie sollten die Lösung und die App aktiv testen und auf Basis der Erfahrungen eigene Produktivitätsanwendungen einführen oder erdenken. Dabei ist es wichtig, die Lösungen und Apps als Option, als zusätzlichen Analyse- und Präsentationslayer zu sehen und nicht als eine Entweder-oder-Entscheidung. Warum sollten sie es machen? Ganz einfach: Office Graph & Delve liefert Antworten auf Fragen die aktuell vielen Unternehmern auf den Nägel brennen – oder die sie sich teilweise gar nicht zu stellen trauen.
Wäre es nicht prima, wenn Vertriebler, Projektmanager oder Controller bei ihren immer anspruchsvolleren Arbeiten durch Wissenssysteme unterstützt würden? Wenn für diese Anwender – egal aus welcher Branche sie stammen oder wie sie ihre Arbeit organisieren – Daten und Informationen aus unterschiedlichen Quellen und Kanälen nach ihren individuellen Anforderungen gefiltert und aufgearbeitet würden? Was vor einigen Jahren noch eine Idee, die zum Zeitpunkt ihrer Geburt unerschöpflich frisch, war, ist jetzt Realität: Microsoft bietet mit dem Office Graph und der Anwendung Delve eine solche Lösung. Und quasi beiläufig erfinden sie das, was bisher unter einer Office-Lösung verstanden wurde, vollkommen neu. Standen bei Office-Lösungen anfangs aus heutiger Sicht eher plumpe Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation im Fokus, setzen heutige Lösungen vielmehr auch Kommunikations- und Kollaborationselemente ein und ermöglichen so ein integriertes und nahtloses Arbeiten. In Zukunft wir verstärkt auf die Verknüpfung von Handlungsmustern und Zukunftsprognosen gesetzt.
Ideal für Wissensarbeiter
Wissensarbeiter werden in der Regel nicht für ihre reine Anwesenheit im Unternehmen, ihre physische Arbeit oder ihre manuellen Fähigkeiten bezahlt. Ihr Wert für das Unternehmen entsteht durch die Aufarbeitung von Daten zu Informationen hin zu Wissen. Dieses Wissen muss im Sinne des Unternehmens genutzt und geteilt werden. Hierzu werden technische Lösungen, wie Office-Anwendungen, benötigt, die die Controller, Sachbearbeiter oder Vertriebsbeauftragen unterstützen und entlasten. Für diese Mitarbeiter, die für knapp 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland stehen, hat sich der Einsatz von Office-Systemen von einer unterstützenden Komponente hin zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der täglichen Arbeit entwickelt. Vor diesem Hintergrund treten die eingesetzten Office-Lösungen auch als Substitut für gering qualifizierte und als Komplement für hoch qualifizierte Tätigkeiten auf. Das bedeutet, dass manuelle Routineaufgaben, wie zum Beispiel
die mehrfache händische Eingabe von identischen Daten in unterschiedliche Systeme (stark verbreitet im Gesundheitswesen/Krankenhäusern) oder die Prüfung von Vorgängen, die auf standardisierten Werten bzw. strukturierten Daten beruhen, durch standardisierte bzw. automatisierte Prozesse abgelöst werden. Im gleichen Atemzug können individuelle und auf Team- oder Wissensarbeit beruhende Aufgaben, wie die organisatorische und personelle Führung, die dynamische und flexible Interaktion und Kommunikation mit Kollegen, Kunden oder Lieferanten, bei gleichzeitigem Zugriff auf die relevanten Daten und die Produktentwicklung, Angebotserstellung und Leistungserstellung schneller und qualitativ hochwertiger umgesetzt werden.
Es zeigt sich jedoch, dass die bestehenden Lösungen und Systeme nicht ausreichend sind. Die beschleunigte Verarbeitung in Richtung Wissensarbeit bedingt neue Ansätze. Ein solcher Ansatz ist in Office Graph und der Applikation Delve zu finden. Dabei ist Office Graph für die Intelligenz und die Applikation Delve für eine übersichtliche Darstellung und bessere Kommunikation zuständig.
Was ist der Office Graph?
Aus technischer Sicht ist der Office Graph ein selbstlernender Algorithmus, der innerhalb von Office 365 Informationen aus diversen Quellen automatisch vernetzt und diese so für den einzelnen Anwender anschaulich und zugänglich macht. Dabei werden nicht nur Dateien als Grundlage genutzt, es werden auch Personen und Aktivitäten betrachtet. So wird die Teilnahme an einem Online-Meeting genauso berücksichtigt, wie die Häufigkeit der Lync-Nutzung oder das persönliche Verhalten bei Eintreffen von E-Mails. Im Prinzip wird die Verhaltensweise des Einzelnen und seines Teams betrachtet. Im Ergebnis stellt Office Graph dem Anwender zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Inhalt bereit.
Aus Sicht des Anwenders ist der Office Graph die Grundlage für einen persönlichen Assistenten. Der Graph ist für den einzelnen Anwender eine Mischung aus persönlicher Suche und personalisiertem Angebot. Für die Unternehmens-IT ist es eine Form, den Anwendern Inhalte anzubieten und die Anforderungen der Fachabteilungen durch erweiterte Business-Productivity-Lösungen umzusetzen. Für die Unternehmensleitung und Organisationsentwicklung ist der Office Graph ein Werkzeug, um die Agilität des Unternehmens in bestimmten Bereichen zu verbessern.
Der Office Graph ist beseelt vom Enterprise Graph von Yammer sowie von FAST Search. Aber auch Grundüberlegen, die für die Konzeption der Suchmaschine Bing verwendet wurden, finden sich hier wieder. Die Technologien von, und die Denkmuster hinter, FAST Search werden genutzt, um Metadaten zur Gewinnung von Informationen zu nutzen.
Ein Graph wird gegenwärtig als eine der besten Möglichkeiten gesehen, Informationen bereitzustellen. Das ist in den Public Social Networks wie Facebook oder Xing so, genauso wie in Enterprise Social Networks wie Yammer. Es gilt das Credo, dass ein Graph und keine klassische Datenbank die richtige Grundlage für Datenstrukturen ist. Dies liegt daran, dass diese Form der Darstellung für den Menschen wesentlich leichter zu erfassen ist. Die multidimensionale Darstellung der Daten als Graph bzw. als Netzwerk wird vom menschlichen Hirn anscheinend besser umgesetzt. Die Darstellungsform ist für viele Anwender selbsterklärend, so dass in der Regel kaum Schulungen notwendig sind.
Als drittes Denkmuster greifen die Entwickler von Office Graph auf das Gegenstand-Beziehung-Modell von Bing zurück. Auch wenn Bing in Deutschland kaum vernünftig funktioniert und deshalb nicht genutzt wird, ist der dahinterliegende Ansatz sehr gefällig: Während Google als Suchmaschine konzipiert wurde, wurde Bing als Entitäten-Maschine entwickelt. Mithilfe der Entitäten und der Beziehungen zwischen ihnen, lassen sich Zusammenhänge darstellen, mit deren Hilfe Hintergrundinformationen ermittelt und dargestellt werden können. Übertragen auf den Office Graph bedeutet dies, dass Beziehungen zwischen Personen, deren Arbeitsweisen, Verhaltensweisen und deren Inhalten in einem Kontext ermittelt werden. Dabei gilt der Grundsatz, dass je größer das Netzwerk und die zu Verfügung stehenden Workloads sind, desto besser und wertvoller der persönliche Assistent – zum Beispiel Delve – für den Wissensarbeiter arbeitet.
Delve
In einem Satz erklärt, ist Delve ein natives Tool, welches Informationen aus dem Office Graph herauszieht und darstellt. Dabei werden ausschließlich Inhalte berücksichtigt, auf die der einzelne Endanwender Zugriffsrechte besitzt.
Mit der Applikation Delve bringt Microsoft den persönlichen Assistenten zu jedem Wissensarbeiter. Delve stellt alle als relevant erachteten Informationen und Beziehungen aus Office 365 zum ermittelten richtigen Zeitpunkt oder auf Knopfdruck übersichtlich dar. Es handelt sich dabei also um eine Oberfläche, auf der die relevanten Dokumente und Kontakte individuell angezeigt und angeboten werden. Grundlage von Delve ist Office Graph als selbstlernender Algorithmus, der die wichtigsten Informationen zusammenstellt.
Wie können Unternehmen hiervon profitieren?
Zurzeit sind Office Graph und Delve nur für Office 365 verfügbar. Microsoft stellt die Lösung und Applikation zunächst in den Office-365-Enterprise-Plänen E1 bis E4 und den vergleichbaren Serviceplänen für „Government“ und „Academics“ bereit. Für die Business-Pläne erfolgt die Bereitstellung im kommenden Jahr.
Auch bedingt durch die Komplexität der Lösung handelt es sich bei Office Graph um eine Cloud-Lösung. Die Anbindung an On-Premises-Installationen – bzw. für die Nutzbarmachung in hybriden Strukturen – ist nur eine Frage der Zeit. Für den Erfolg ist eine hybride Datenbelieferung aus der Office-Welt und die Integration von anderen Quellen entscheidend. Um eine solche Einbindung aus anderen Systemen zu ermöglichen, wird an der Bereitstellung entsprechender APIs gearbeitet. Auch Entwickler bekommen die Möglichkeiten, auf Basis des Office Graph eigene Anwendungen zu entwickeln.
Die ersten Versionen von Delve sind als Windows-8.x-App und als browser-basierte Version verfügbar. Da Office für Microsoft mittlerweile eine originäre Cross-Plattform-Lösung ist, werden auch für andere – mobile – Plattformen entsprechende Apps erwartet.
Das Charmante an Delve und Office Graph ist, dass es sich zwar einerseits um eine fundamentale Umwälzung der Informationsorganisation in Unternehmen und durch Mitarbeiter handelt; andererseits hierfür keine großen Installations- oder Migrationsprojekte notwendig sind.Die neuen Anwendungen können parallel zu der bisherigen Umgebung genutzt werden. Somit kann der Anwender selbst bestimmen, wie schnell und in welchem Umfang er die neuen Lösungen nutzen wollen. Auch die Unternehmen können selbst bestimmen, in welchem Tempo sie den einzelnen Mitarbeitern die Services anbieten möchten. In anderen Worten: Die Organisationsagilität ist nicht mehr länger von der Leistungsfähigkeit – bzw. der IT-Agilität – abhängig.
Dennoch spielt die Unternehmens-IT weiterhin eine enorm wichtige Rolle. Sie zeichnet unter anderem für die Grundlagen des Rechtemanagements und die Integration weiterer Datenquellen und Anwendungen verantwortlich.
Was bleibt?
Microsoft hat es in den vergangenen Jahren geschafft, das Office-Portfolio stetig weiter aufzuwerten und ist heute der einzige Anbieter, der es ermöglicht, nahtlose Office-Systeme über Server, Client oder Services bereitzustellen. Auch wenn insbesondere in Deutschland nicht immer alle Änderungen sofort auf Wohlwollen und offene Ohren gestoßen sind, boten die Neuerungen teilweise bereits Jahre im Voraus Antworten auf Fragen, die sich viele Verantwortliche in Unternehmen noch gar nicht gestellt hatten. Die technischen Antworten auf die organisatorischen oder gesellschaftlichen Fragen waren im Unternehmen daher nicht immer sofort technisch und organisatorisch umsetzbar. So ist ein Office-365-Tenant zwar schnell aufgesetzt, die Migration von Daten, die Anpassung der Prozesse und die Akzeptanz bei Anwendern dauert allerdings.
Bei Office Graph und Delve gibt es jedoch an entscheidenden Punkten Unterschiede: Einerseits ist Microsoft bei seinen Office-Erweiterungen auf der Höhe realer Probleme; die ökonomischen Realitäten und die Anforderungen der Anwender zwingen Unternehmen nämlich, die Wissensarbeit zu erleichtern, zu verbessern und zu modernisieren. Hierbei geht es zunächst nicht darum, dass Maschinen oder Algorithmen mit Menschen konkurrieren; vielmehr kommt es darauf an, Rückkopplungssysteme einzubinden, die die Rolle eines Assistenten übernehmen.
Andererseits bietet der hohe Grad der Integration in die Office-365-Welt und die damit verbundenen geringen technischen Aufwände für die Einführung den Unternehmen Vorteile. Eine schnelle, bedarfsgerechte Bereitstellung kann somit erfolgen. Hohes Augenmerk sollte auf jegliche Art von Rechteeinstellungen gelegt werden.
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