Analystenkommentar: Office für iPad – ‘Wasser gibt Microsoft kostenlos, mit Cola-Sirup beherrschen sie die Welt’

Axel Oppermann - 2013 (c) Axel OppermannMit dem neuen Office für das iPad stürmte Microsoft über Nacht die (App-Store-)Charts. IT-Analyst Axel Oppermann, der den Cloud-Markt Microsoftscher Prägung bereits lange beobachtet, hat sich den neuen Vorstoß der Remonder genauer angesehen und zieht seine Schlüsse, was das für die Neuverteilung der weltweiten IT-Märkte bedeutet. Seine Analogie dazu ist Coca Cola: Öffnen und Anschauen von Dokumenten ist wie Wasser nahezu kostenlos. Speichern und Bearbeiten von Dateien kostet hingegen wie die Dreingabe von Zuckersirup richtig Geld. Microsoft und Apple bilden hier eine ideale Partnerschaft, indem beide von der Aufteilung des Marktes gleichermaßen profitieren. Oppermanns Fazit: Das ist erst der erste Schritt einer großflächigen Bereitstellung von Office-Anwendungen auf allen denkbaren Plattformen.

Cui bono – wer profitiert? Microsoft Office für iPad – oder: die Vollendung der wirtschaftlichen Aufteilung der IT-Welt und der Kampf um ihre Neuverteilung

Von Axel Oppermann, IT-Analyst, Avispador

Schon vor über 200 Jahren stellte Adam Smith das Paradoxon von Wasser und Diamanten fest: Wasser ist lebenswichtig, Diamanten sind es nicht. Dennoch ist Wasser – zumindest in unseren Breitengraden – günstig, Diamanten eher hochpreisig. Es gibt also nichtrationale Bewertungsgrundlagen über unterschiedliche Produktgruppen. Es gibt aber auch Unterschiede innerhalb von Produktgruppen: Nehmen wir wieder Wasser als kostenlose bzw. kostengünstige Grundlage und vergleichen es mit Cola. Der Aufpreis für den Sirup, der Wasser zu Cola macht, ist relativ hoch. Dennoch wird hierfür gerne umfassend gezahlt.

Sirup klebt und macht abhängig

Übertragen wir unser Beispiel auf Office für das iPad. Aus Sicht von Microsoft ist das Öffnen und Anschauen von Dokumenten das neue Wasser. Jeder braucht es – jeder will es. Speichern oder Öffnen von Dateien, die auf OneDrive, OneDrive für Business oder SharePoint liegen, Bearbeiten von Daten oder Erstellen von neuen Dokumenten ist der neue Sirup. Es wertet einen manchmal faden Geschmack auf; und nicht wenige Anwender sind bereit, dafür zu bezahlen. Dass der Sirup auch klebt und abhängig macht, wird gerne vergessen. Und ein Unternehmen wie Microsoft weiß genau, wie ein solcher Kleber angerührt werden muss, damit er hält. Das liegt auch daran, dass Microsoft die Regeln der Massenmärkte wie kaum ein zweiter Anbieter der IT-Industrie kennt. Durch Netzwerk- und Verbundeffekte wurden ganze Märkte ersonnen, geschaffen, entwickelt und besetzt. Und bevor ein Spieler wie Microsoft in ein neues Spiel – einen neuen Markt – eintritt, wird der eigene Mehrwert ermittelt.

Microsoft adaptiert das Konzept der Kolonialmächte

Und nun tritt Microsoft mit Kraft in einen Markt ein, der die Neuaufteilung eines bereits aufgeteilt geglaubten Teils der IT-Welt betrifft. Der ehemalige Dominator der IT-Endgeräte bringt sein Flaggschiff auf die etablierte Plattform eines der größten Wettbewerber – und gleichzeitig auf die Geräte eines der größten Freunde; profitieren doch die Unternehmen in Wirklichkeit stark voneinander. Beide Firmen, also Apple und Microsoft, werden von der Einführung profitieren und spielen sich die Bälle zu. Microsoft untermauert mit diesem Move die pattformübergreifende Service- und Device-Strategie. Dabei ist die Etablierung und die damit verbundene Bindung von Anwendern und Entwicklern, die Services wie OneDrive, Skype oder den Office-Apps eine Mammut-Aufgabe, deren Bewältigung auch über eigene Relevanz und wirtschaftliche Stärke entscheidet. Mit seiner Strategie adaptiert Microsoft ein Konzept der ehemaligen Kolonialmächte – bzw. den heutigen Ländern mit imperialistischer Prägung: So streben in einem Teilmarkt dominierende Anbieter und Monopolisten danach, sich die übrigen Märkte (Plattformen, Teilmärkte etc.) unterzuordnen und Kaufbereitschaften auszubeuten. Durch die Bereitstellung der Office-Apps profitieren sowohl Apple, Microsoft, die Microsoft-Partner und in Teilen auch die Kunden. Die Produkteinführungen sind allerdings erst der Anfang einer ganzen Reihe von Erweiterungen und neuen Microsoft-Services für nahezu alle Plattformen. Auch ist das noch nicht das Ende der Ausweitung der Bereitstellung von Office-Applikationen als Frontend auf Endgeräten. Lösungen für Android, Spielekonsolen und Uhren werden folgen – bzw. folgen müssen. Damit einher geht die Beschleunigung der Neudefinition von dem, was unter einer Office- Produktivitätslösung verstanden wird.

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