Meinung: “Aufstieg und Niedergang von SharePoint”

SharePoint Portal Server 2001Einen interessanten Meinungsbeitrag mit dem provokanten Titel „The Rise and Fall of Microsoft SharePoint“ hat Jim Townsend, Geschäftsführer von Infostrat, verfasst. Der Blogbeitrag stammt zwar vom Februar, zeichnet aber relativ zeitlos die Entwicklungsgeschichte von SharePoint aus Sicht eines SharePoint-Veterans dar. Die Kernaussage kurz gefasst: Microsoft hat mit SharePoint viele Ziele verfolgt, aber nur wenige dauerhaft erfolgreich verankern können.

Als Diskussionsgrundlage halte ich diese Darstellungen auf jeden Fall für beachtenswert. Townsend kategorisiert die Erfolge und Misserfolge von SharePoint in drei Zustandsformen: Dauerhaft (Steady), Vorübergehend (Transitioning) und als netten Versuch (Nice Try).

1. Dauerhaft erfolgreiche SharePoint-Funktionen

Die Brot-und-Butter-Funktionen von SharePoint, die Microsoft nicht in andere Produkte übertragen hat:

  • Dokumentenmanagement: Wahrscheinlich der stabilste Funktionsbereich von SharePoint. Eignet sich für leichtgewichtiges Dokumentenmanagement inklusive Versionierung, Freigabe-Workflows und Check-in/Check-out und adressiert so die Bedürfnisse der meisten Unternehmen. Wer umfangreichere Funktionen benötigt, weicht auf andere Produkte aus.
  • Intranet: SharePoint stellt schnelle und einfache Mechanismen zum Aufbau eines Intranet bereit. Solange Dokumentenmanagement und Content-Management sich ergänzen, ist dieser Bereich überzeugend.

2. Vorübergehende SharePoint-Funktionen

Hier handelt es sich um wichtige Funktionen, die aber in Richtung Office 365 abwandern.

  • Collaboration: Seit dem ersten Erscheinen von SharePoint haben sich die Erwartungen für Collaboration verändert. SharePoint eignet sich für bestimmte Formen wie etwa die Dokumenten-basierende Zusammenarbeit. Microsoft verschiebt diese Funktionen aber von SharePoint nach Office 365 – so beispielsweise mit Teams.
  • Workflow: Microsoft hat seine Workflow-Strategie mit Flow, Azure Logic Apps und Power Apps neu ausgerichtet und öffnet sich Richtung externe Integrationen wie Dropbox, MailChimp, Twitter und so weiter.
  • Portale: Zum Zeitpunkt von SharePoint 2001 waren Portale ein großes Hype-Thema, seither ist deren Bedeutung zurückgegangen. Damals ging es um die Integration vielfältiger Datenquellen in eine Intranet-Seite. WebParts waren die zentrale Technologie zur Umsetzung. Heute strebt Microsoft diese Rolle für Office 365 an.
  • Dokumenten- und Dateiablage: OneDrive war die Antwort auf Dropbox & Co. Wer nicht die Versionierungs- und Editierfunktionen von SharePoint benötigt, kommt mit OneDrive besser klar.

3. Netter Versuch mit SharePoint

Folgende Funktionen hat Microsoft zu bestimmten Zeiten propagiert, aber sie konnten sich nicht mit spezialisierten Wettbewerbsprodukten messen:

  • Suchmaschine: Microsoft hat 2008 Fast gekauft, es als Zusatzoption für SharePoint 2010 angeboten und dann in Version 2013 integriert.
  • (Web-)Content-Management: SharePoint 2001 enthielt den Content Management Server für Websites. Nach dessen Auslaufen riet man den Kunden, die SharePoint-eigenen WCM-Funktionen zu nutzen, aber SharePoint war damit nie richtig wettbewerbsfähig.
  • Records-Management: Diese spezielle Form des Dokumentenmanagement (deutsch: Schriftgutverwaltung) auf Richtlinienbasis hat Microsoft weitgehend Drittanbietern überlassen.
  • Formularwesen: Der erfolgreichste Ansatz bisher war InfoPath, das aber 2013 abgekündigt wurde. Es wird noch einige Zeit lang unterstützt, aber mit Flow und PowerApps sind schon Nachfolger in Sicht.
  • Soziale Netze: Yammer wurde 2012 gekauft, in dessen Folge wurden 2013 die bis dahin entwickelten Social-Funktionen von SharePoint eingefroren.
  • Business Data Catalog (BDC): Da hinter SharePoint eine SQL-Datenbank als Speicher steht, kann der Server als einfaches Frontend für Geschäftsanwendungen genutzt werden. Dieses Modell hat aber nie richtig Fahrt aufgenommen, mit PowerBI kommt nun eine Nachfolgetechnologie zum Zug.
  • Business Intelligence: SharePoint verfügt hier über einige Funktionen, die sich aber mit dem stark wachsenden PowerBI überschneiden.

Townsend möchte Microsoft nicht grundsätzlich für falsche oder zu langsame SharePoint-Weiterentwicklungen kritisieren, er wünscht sich aber weichere Migrationsoptionen. Sein Fazit: „SharePoint lebt in Office 365 weiter, aber einige seiner Funktionen wie Workflows, Anwendungsintegration und Collaboration wechseln in Richtung Office 365.“

wm@sharepoin