Microsoft zieht die Zügel bei den Partnern an: Strengere Zertifizierungen, mehr Druck bei den Verkaufszielen
Anforderungen erhöhen, Betreuung reduzieren: Seit gut fünf Jahren steigert Microsoft kontinuierlich die Ansprüche an seine Partner. Gleichzeitig wird die Betreuung der meisten Partner zusammengestrichen. Ökonomisch ist dieses Vorgehen aus Microsoft-Sicht nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass rund ein Prozent der deutschen Partner mehr als 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaften.
Im Oktober 2022 wurden die Silber- und Goldkompetenzen für Partner abgeschafft. An dessen Stelle sind die sogenannte Lösungspartnerschaften (Solution Partner Designations) getreten. Derzeit werden sechs Optionen angeboten, nämlich Solutions Partner for Business Applications, Solutions Partner for Data and AI (Azure), Solutions Partner for Digital and App Innovation (Azure), Solutions Partner for Infrastructure (Azure), Solutions Partner for Security sowie Solutions Partner for Modern Work.
Neue Hürden zur Erreichung der Partnerkompetenz
Um die Kompetenz eines Lösungspartners zu erreichen, müssen Microsoft-Partner gewisse Mindestleistungen in den Bereichen Nettokundenzuwachs, Qualifikation und Kundenerfolg erbringen. Dafür bekommen sie dann Punkte verliehen. Zusätzlich ist auch eine umfangreiche Wissensaneignung über das ständig komplexer werdende Microsoft-Portfolio gefordert. Geprüft und ausgezeichnet wird dies über eine ständig steigende Anzahl von Zertifizierungen der Mitarbeiter.
Eine weitere Bewertungsgröße ist der Mindestneukundenumsatz. Gleichzeitig wird aber auch erwartet, dass die Bestandskunden die bereits gekauften Lösungen angemessen nutzen. Von der Kostenseite her beläuft sich der Kauf einer Lösungspartner-Spezialisierung pro Jahr auf 4.730 US-Dollar. Darin enthalten sind Nutzungsrechte an Software, beispielsweise für Demozwecke, Azure Guthaben und digitale Betreuung, die in seltenen Fällen bei den erfolgversprechendsten Partnern auch in Form einer persönlichen Betreuung durch Partnermanager erfolgen kann.
Partner müssen wachsen, um mit den Anforderungen mithalten zu können
Zusätzlich zu den Solution Designations gibt es aufbauende Spezialisierungen, die dem umfangreichen Produktportfolio gerecht werden sollen. Alleine für Business Applications bietet Microsoft Spezialisierungen im Bereich ERP für Business Central, Finance und Supply Chain Management an; im Bereich CRM für Sales und Service, sowie für Low Code sprich Power Apps an. Die Anforderungen für Deployments, den Nachweis für zertifizierte Mitarbeiter und Wachstum sind um ein Vielfaches höher und geben damit den Kunden die Sicherheit, dass man als Partner in den einzelnen Produktfeldern „State of the Art“ ist.
Aus Partnersicht wird es schwieriger, im Geschäft zu bleiben und von Microsoft zu profitieren. Um die Qualifikations- und Wachstumsziele zu erreichen, muss der Partner selbst deutlich wachsen. Im Zuge der Veränderungen der letzten fünf Jahre macht Microsoft deutlich, dass der Verkauf von Lizenzen und Subscriptions nicht mehr die wichtigste Kennzahl ist. Microsoft fördert nun bevorzugt solche Partner, die die Nutzung der Produkte (Adoption und Usage) voranbringen.
Mit dem Durchschieben von Lizenzen ist es vorbei
Anders gesagt heißt das, dass Microsoft an reinen Transaktionspartnern das Interesse verliert. Das früher bevorzugte Durchschieben von Lizenzen ist inzwischen passe. Das liegt natürlich auch am Paradigmenwechsel zur Cloud. In SaaS-Zeiten verschwindet die sogenannte Shelfware, also ungenutzt herumliegende Softwarepakete.
Damit verschwinden wiederkehrende Einnahmen, was zu verschlechternden Kennzahlen führt. Die neue Kennzahl lautet daher MAU (Monthly Active Usage), also die Nutzungsdauer pro Monat. Diese wird incentiviert, intern wie im Partner-Kanal, und bildet so eine zentrale nutzungsorientierte Komponente des Punktesystems.
Der Druck führt zu Zusammenschlüssen von Partnern
Mit den steigenden Anforderungen nehmen auch die Tendenzen zu Zusammenschlüssen oder Kooperationen unter Partnern zu. Ein Beispiel dafür ist der internationale Zusammenschluss ehemals unabhängiger Partner unter dem Dach der Fellowmind. Das Unternehmen wurde 2019 gegründet und beschäftigt inzwischen 2.000 Tech- und Industrieexperten in den Niederlanden, Finnland, Dänemark, Schweden, Deutschland und Polen.
Für kleinere Partner mit vielleicht ein paar Dutzend Mitarbeitern wird es zunehmend schwieriger, die Anforderungen von Microsoft zu erfüllen. Die Folge wird ein Ausdünnen der Partnerlandschaft sein, die stärker standardisiert und internationaler agiert.
Zusammenführen von Kompetenzen steigert die Qualität der Services
Das muss nicht zum Nachteil der Kunden sein, selbst wenn es anfänglich nach solchen Neuausrichtungen Reibungsverluste geben sollte. Denn kleinere Partner mit zwei, drei Dutzend Mitarbeitern werden über kurz oder lang nicht mehr in der Lage sein, den Anforderungen von Microsoft gerecht zu werden. Eine Zusammenführung der Kompetenzen, die schon jetzt für das Microsoft Portfolio notwendig ist, erhöht auf Seiten des Kunden wahrscheinlich die Gewissheit, handwerklich gut bedient zu werden.
Das Dynamics-Portfolio ist über die Jahre mit Azure, AI, Teams- und Office-Funktionalitäten angereichert und ergänzt worden, eine reine vertikale Expertise im Bereich ERP oder CRM dient immer noch als Unterscheidungskriterium, reicht aber zukünftig immer weniger, um das Portfolio angemessen abdecken zu können.