Schluß mit der Browser-Altlast IE6: So gelingt die Migration auf IE8/9 & Windows 7
Immer noch setzten 31 Prozent der mittleren und großen Unternehmen in Deutschland den völlig veralteten Internet Explorer 6 ein, sagt eine aktuelle Experton-Studie. Viele sind dazu verdammt, weil ihre Geschäftsanwendungen proprietäre Erweiterungen des IE6 nutzen und daher nicht in aktuellen, standardkonformen Browsern laufen. Schuld daran ist die frühere Microsoft-Politik, die mit eigenen Definitionen von Javascript, ActiveX, sowie der Java-Virtual-Machine Web-Standards erzwingen wollte. So entstanden ab 2001 Unmengen an Anwendungen in Unternehmen, die die speziellen Erweiterungen des IE6 benötigen.
Inzwischen distanziert sich sogar Microsoft von sein “Erfolgsprodukt” und propagiert auf der Website Internet Explorer 6 Countdown eine Art Ausstiegsprogramm, in dem es über die aktuelle Situation sowie Migrationsmöglichkeiten informiert. Über kurz oder lang müssen die betroffenen Firmen – nicht zuletzt wegen zwangsläufiger Sicherheitslücken eines Uralt-Browsers – reagieren und einen Weg aus dieser Sackgasse finden. [Dieser Artikel ist in etwas abgewandelter Fassung auch auf Computerwoche.de erschienen]
Lösungsansätze zum IE6-Ausstieg: Erst Kompatibilitätsanalyse
Nach wie vor liegt der weltweite Marktanteil des IE6 laut der Net-Applications-Statistik bei 11,3 Prozent. Über alle Versionen hinweg betrachtet gehört den Microsoft-Browsern aktuell 56,7 Prozent vom Kuchen, gefolgt von Firefox mit 21,7 und Google Chrome mit 10,9 Prozent. Die Analysten der Experton Group haben die Situation in deutschen Unternehmen untersucht und herausgefunden, dass Firmen mit als 500 Mitarbeitern immer noch zu 31 Prozent den Browser-Oldie einsetzen. 25 Prozent der IE6-Anwender planten innerhalb der nächsten 12 Monate einen Wechsel auf eine neuere Version des Internet Explorer, weitere zehn Prozent wollen auf einen andern Browser wechseln – zumeist auf Firefox. Die restlichen Unternehmen allerdings verweigern sich einer Migration oder wollen den Umstieg so lange wie möglich aussitzen.
Für Unternehmen, die das IE6-Dilemma lösen wollen, bieten sich unterschiedliche Optionen an. Die naheliegendste ist zunächst, die betroffenen Browser-Anwendungen zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen, um sie in neueren Browsern weiterbetreiben zu können. Um den erforderlichen Aufwand abschätzen zu können, bietet Microsoft ein Dokument, das die Unterschiede zwischen IE6 und IE8 auflistet. Jedoch scheidet in vielen Fällen eine solche Überarbeitung aus Kostengründen aus, oder aber der Softwarelieferant will oder kann die Anpassungen nicht durchführen.
Scheidet eine Anpassung aus, sollte eine Lösung per Virtualisierung oder einer speziellen IE6-Installation gesucht werden. Hierzu bieten sich verschiedene Ansätze an, die jeweils mit gewissen Vor- und Nachteilen verbunden sind.
IE6-Austreibung: Microsoft empfiehlt Windows XP Mode oder Terminal Server
Microsoft trommelte seit Vista lautstark für den Umstieg von XP, ohne ernsthaft die IE6-Probleme zu adressieren. Mit Windows 7 änderte sich das grundlegend, indem der „XP Modus“ als Lösung für alle problematischen Altanwendungen eingeführt wurde. Es handelt sich dabei um ein komplettes, kostenloses Windows XP, das als Image in einer virtuellen Maschine (Windows Virtual PC) unter Windows 7 läuft (Download der beiden Komponenten hier). Hiermit steht auch der IE6 als Bestandteil von XP zur Verfügung. Wie alle anderen XP-Programme wird er in einem eigenständigen Fenster auf den Windows-7-Desktop publiziert, um die Benutzer nicht mit einem zweiten Desktop zu verwirren.
Diese Lösung wirkt auf den ersten Blick elegant, doch beschert sie Unternehmen einen Rattenschwanz an IT-Aufrüstungen. So benötigen die Windows-7-Clients wegen der virtuellen Maschine mehr Prozessorleistung und Arbeitsspeicher. Des Weiteren steigt der Wartungsaufwand für die IT-Abteilung, da solche XP-VMs zunächst auf die Clients verteilt und anschließend auch mit Patches und ähnlichem gewartet werden müssen. Dabei eignet sich der XP Mode ohnehin nur für kleinere Umgebungen, in größeren Client-Landschaften empfiehlt Microsoft wegen der einfacheren Administration das Paket für Desktop-Virtualisierung MED-V. Der Vorteil hierbei ist, dass sich bestimmte URLs von IE6-Anwendungen gezielt auf diesen Browser umleiten lassen, der Rest läuft über den lokalen Browser. Voraussetzung auf Lizenzseite her ist allerdings eine Software Assurance sowie das Microsoft Desktop Optimization Pack (MDOP).
Das Analystenhaus Gartner ermittelte allerdings deutliche Zusatzkosten durch MED-V und MDOP, die sich auf etwa 50 US-Dollar pro PC und Jahr belaufen – eventuelle Hardwareaufrüstungen noch nicht berücksichtigt. Gartner-Analyst Michael Silver urteilt denn auch im Report „Solving the IE6-Dilemma for Windows 7“, dass der Aufwand unangemessen sei, wegen eines Browser-Problems eine gesamte zusätzliche Betriebssystemumgebung mitzuschleppen.
Die alternative Empfehlung von Microsoft lautet, den IE6 über einen Terminal-Server bereitzustellen. Das kann zwar zentral erfolgen und erübrigt Client-Eingriffe, hat jedoch andere Tücken: Weil der IE6 nicht kompatibel ist mit dem Windows Server 2008 (R2), muss für das Browser-Hosting der veraltete Server 2003 (R2) aufgesetzt werden. Hier wiederum lassen sich keine Zuständigkeiten für lokale und externe URLs festlegen, um etwa alte Anwendungen automatisch im IE6 aufzurufen.
IE6 parallel zum IE8/9 installieren
Die naheliegendste Idee, den Internet Explorer 6 parallel zu einem anderen Browser zu installieren, scheidet aus, weil das zu DLL- und Registry-Konflikten führen würde. Doch Tools zur Anwendungsvirtualisierung machen diesen Weg gangbar. Hierbei schottetet eine Sandbox die Anwendung komplett vom Betriebssystem ab, im Hintergrund werden Zugriffe auf Dateisystem und Registry in eigene Container umgeleitet. Für den Benutzer ist all das nicht sichtbar, er geht von einer ganz normalen Anwendung aus. Microsoft hat selbst mit App-V ein solches Werkzeug im Portfolio, weitere Vertreter sind Symantec Workspace Virtualization und VMware ThinApp. Sowohl Symantec als auch VMware stellen im Web Anleitungen zur Verfügung, die das Prozedere zu einer IE6-Bereitstellung detailliert erklären.
Allerdings beobachtet Microsoft diese Form der IE6-Bereitstellung mit Argusaugen und hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dabei geltende Lizenzbestimmungen verletzt werden. Der Hersteller vertritt den Standpunkt, dass der Browser als integrales Bestandteil des Betriebssystems nicht einzeln lizensiert werden kann. Noch sind keine rechtlichen Schritte gegen Unternehmen erfolgt, allerdings rät Gartner dazu, im Falle der beschriebenen IE6-Virtualisierung eine Vereinbarung mit Microsoft zu treffen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
IE6 als Tab in den IE8 integrieren – mit Unibrows
Einen völlig anderen als die bisher geschilderten Wege zur IE6-Virtualisierung beschreitet das junge US-Unternehmen Browsium. Das von einem ehemaligen Microsoft-Mitarbeiter gegründete Startup entwickelte eine Erweiterung für den Internet Explorer 8, die die Funktionen des IE6 innerhalb eines IE8-Browser-Tabs zur Verfügung stellt. Laut Browsium-CEO Matt Heller handelt es sich dabei nicht um eine Virtualisierung, stattdessen arbeitet eine komplette IE6-Rendering-Engine innerhalb des IE8. Der IE6-im-IE8 unterstützt alle bekannten Funktionen wie etwa die Active-X-Controls des IE6 oder dessen Java-Script-Rendering. Somit lassen sich auch alle existierenden IE6-Anwendungen ohne Einschränkung betreiben. Die vom Anbieter versprochene Kompatibilität erscheint angesichts der technischen Hintergründe plausibel: Unibrows basiert auf original Microsoft-Bibliotheken, für die der Toolanbieter die entsprechenden Lizenzen erworben hat. Als Tochterprozess des IE8 unterliegt Unibrows übrigens auch den Gruppenrichtlinien, die vom Administrator vergeben wurden. Der Browser-Zusatz läuft unter allen IE-8-kompatiblen Windows-Versionen – also XP, Vista und Windows 7.
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