Kommentar zur Microsoft Worldwide Partner Conference: “Interessen scheinen auseinanderzudriften”
Diese Woche hält Microsoft seine jährliche Worldwide Partner Conference 2014 in Washington D.C. ab, und Analyst Axel Oppermann hat die wichtigsten Neuigkeiten für die deutschen Microsoft-Partner zusammengefasst. Hier vorab seine wichtigsten Erkenntnisse:
- Aus Sicht des deutschen Markts scheinen die beteiligten Parteien nicht auf der selben Ebene der realen Probleme zu denken und zu handeln.
- Die Ist-Situation beim Cloud-Thema weicht in Deutschland von der weltweiten Ausrichtung ab.
- Nur wenige Partner profitieren von der Entwicklung einer Microsoft.
- Microsoft Partner, die den „gewünschten“ Weg nicht mitgehen wollen, sollten sich außerhalb des herstellergeführten Partnernetzwerks stärker organisieren.
Hier der vollständige Kommentar:
Microsoft Worldwide Partner Conference: “Neue Realitäten”
Von Axel Oppermann
Gemeinsam auf einer Wellenlänge mit den Partnern sein und damit ein großes Stück Identität schaffen. Ein Ziel, das Microsoft in den letzten Jahren erfolgreich umsetzte. Doch inzwischen scheinen die Interessen auseinanderzudriften. Während Microsoft sich veränderten Umweltbedingungen anpasst, um mit einer neuen DNA das eigene Überleben zu gewährleisten, zögern viele Partner noch, ob sie „Fisch oder Fleisch“ sein wollen.
Hypothetisch gesehen, könnte alles so einfach sein, würde Microsoft sagen: „hey! – wir sind gemeinsam super erfolgreich, machen gute Geschäfte – verdienen gutes Geld. Wir haben für nahezu alle Wachstumsbereiche gute Produkte und Services. Und unsere Partner bekommen ein Vielfaches von dem zurück, was sie investieren. Also liebe Partner, baut Lösungen, schult eure Mitarbeiter und erobert zusammen mit uns neue Märkte!“. Doch ganz so einfach ist es eben nicht. Denn; Microsoft macht es sich nun mal nicht einfach. Aber der Reihe nach:
Anlässlich der weltweiten Microsoft Partnerkonferenz (WPC) vergangenen Montag in Washington D.C. wurde schnell klar, wohin die Reise geht: Sie geht in Richtung neuer Märkte. Die Formel für den Erfolg lautet dabei „Mobile first – Cloud first“. Bei der „Mobile First, Cloud First“-Strategie geht es um die plattformübergreifende Mobilisierung von Geschäftsprozessen und privaten Aktivitäten auf Grundlage von Cloud-Technologie. Ziel ist es, Microsoft-Dienste unabhängig von der Plattform nutzbar zu machen. Partner sollen Anwendungen (Apps) entwickeln, die auf nahezu jedem Endgerät funktionieren, und ihre Intelligenz aus der Microsoft-Cloud beziehen. Partner sollen beispielsweise Lösungen produzieren, die durch Big Data und Social Computing bessere Produktivität ermöglichen, usw.
Neue Märkte und Rückbesinnung zu alter Stärke
Microsoft zielt bei seinen Aktivitäten für das Fiskaljahr 2015 klar auf Unternehmenskunden ab, ohne dabei den Konsumenten zu vernachlässigen. So hat Microsoft, ebenso wie Google, Appel – oder Disney – erkannt, dass Kinder und Bildung nicht nur ein lukratives Segment, sondern auch der Grundstein für zukünftigen Erfolg im Produktivumfeld sind. Auch deshalb sind Xbox, PC-Spiele oder Fitnessarmbänder von so besonderer Bedeutung.
Microsoft strebt im gerade gestarteten wie schon im zurückliegenden Geschäftsjahr, die Bereiche Social, Cloud, Mobile und Big Data an. Hinzu kommt der Bereich Security. Besonderes Augenmerk wird auf die Produkte Azure, CRMonline und Office 365 gelegt. Ein starkes Wachstumsfeld und Kundenbindungsinstrument, wird das Thema Identity Management. Hierfür hat Microsoft unter anderem mit Azure-AD-Premium ein hervorragendes Konzept. Hoffnungsträger für einen Markterfolg ist die Enterprise Mobility Suite. Mit der Enterprise-Mobility-Suite (EMS) bietet Microsoft eine Assemblage für Mobile-Access-Management (MAM), Mobile-Device-Management (MDM), Identity- und Zugangs-Management sowie Datenschutz. Durch die Markteinführung der EMS versucht Microsoft mit der Bündelung klassischer MDM-Lösungen sowie einer Enterprise- Identitätsverwaltung und eines Enterprise-Rechtemanagements Marktanteile zu gewinnen.
Als ein neuer Markt wird auch das „Internet of Things“ bewertet. Hier kann Microsoft gemeinsam mit seinen Partnern, beruhend auf etablierten Produkten und neuen Services, Mehrwerte schaffen und Wachstum generieren. Zentral werden hierbei die Cloud-Lösungen wie Azure Intelligent Systems Service oder auch Azure ML sein.
Neue Märkte bedeutet aber auch eine neue geografische Ausrichtung. So wurde in der Keynote mehrmals verstärkt auf China als Markt der Begierde hingewiesen. Wachstumsmärkte wie China, aber auch weitere asiatische, südamerikanische Länder sowie afrikanische Regionen stehen im Fokus. Für solche Märkte werden Produkte entwickelt, werden Lizenzbestimmungen angepasst und werden Marketinggelder bereitgestellt.
Doch auch dies wurde in der Keynote ziemlich klar: Leistungen von Partnern, die vor drei oder fünf Jahren durch Microsoft hoch entlohnt und wertgeschätzt wurden, haben strategisch gesehen quasi keine Bedeutung mehr. Sie sind zwar noch notwendig, um die Maschine am Laufen zu halten – jedoch nicht mehr und nicht weniger.
Die deutsche Brille
Spreche ich mit Partnern aus Deutschland, kommen regelmäßig ganz andere Probleme und Themen zur Sprache, als sie Microsoft seit längerem und aktuell auf der WPC, in den Mittelpunkt redet. In Wahrheit ist es immer noch die Migration von Windows XP was Sorgen macht. . Im Bereich Office-Produktivitätslösungen geht es hingegen mehr um die Einführung der nächsten (On-premises) Version und einheitliche Prozesse, als um Social oder „Predictive“. Auch kommt das Thema App-Entwicklung (für einzelne Prozesse), und damit neue Bereitstellungs- und Erlösmodelle hierzulande erst langsam auf. Andererseits sind Fragen zur Roadmap und Halbwertzeit von SharePoint oder die „richtigen“ Migrationspfade – Vertriebsstrategie – weg von Windows Server 2003 (Stichtag für das Ablaufdatum des Extended Support ist der 14.07.2015) Tagesgespräch.
Für den deutschen Markt scheint es also beinahe so, als ob die beteiligten Parteien nicht auf derselben Ebene der jeweils realen Probleme des anderen denken und handeln.
Was bleibt
Microsoft schafft neue Realitäten. Dass Unternehmen will die Mentalität eines Provokateurs– eines Angreifers – um neue Märkte zu erschließen. Man sieht sich nicht als Verlierer im PC-Markt, sondern als Herausforderer im "gesamten Gerätemarkt" der Connected Devices – respektive im Segment der Personal Computing Devices.
Das Unternehmen will mit Volldampf neue geografische Regionen und Produktmärkte erschließen. Hierzu wurden in den letzten Jahren mit Hochdruck neue Services und Produkte wie die umfangreichen Azure-Services oder Managementlösungen wie EMS entwickelt, die jetzt, zum Start des Fiskaljahrs 2015, zusammenkommen und ein ganzheitliches Bild darstellen. Der Tipping-Point, also der qualitative Umschwung, ist erreicht. Dass die einzelnen Fäden so zusammenlaufen, war für viele (Partner und Kunden) lange nicht sichtbar.
Mobile ist angesagt – das eigene Cloud-Portfolio der Trumpf: Als Microsoft vor etwa vier bis sechs Jahren in die Breitenansprache mit dem Thema „Cloud“ ging, empfanden dies Partner, Kunden – und sicherlich auch viele Mitarbeiter – in etwa so, als wenn man in ein Flugzeug steigt, startet und hofft, dass die Landebahn zum Zeitpunkt der Landung fertig ist.
Die Landebahn ist fertig. Dennoch fühlen sich viele (deutsche) Partner am falschen Ziel, weil die Ist-Situation in Deutschland oft abweichend von der weltweiten Microsoft-Ausrichtung ist. Das Trugbild der eigenen Relevanz, welches sich die Partner in den letzten Jahren aufgebaut haben, zerbricht nun endgültig. Nur wenige Partner in Deutschland profitieren nachhaltig von den Entwicklungen einer Microsoft. Viele Partner sind aber auch sehr zufrieden mit ihrem Tagesgeschäft. Für Microsoft bedeutet dies, dass die Fokussierung auf bestimmte Partner forciert und neue gefunden werden müssen. Microsoft Partner, die den „gewünschten“ Weg nicht mitgehen wollen, sollten sich dann außerhalb des herstellergeführten Partnernetzwerks stärker organisieren. Auf dieser Basis lassen sich entsprechende Marktangänge und Strategien entwickeln.
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Wir (SharePoint-Dienstleister) werden in den letzten Jahren immer häufiger von Systemhäusern (idR Microsoft Partner) gerufen, weil ihre Kunden neben den Lizenzen, der Hardware und der Systeminstallation nun auch konkrete Anforderungen in SharePoint (OnPrem & O365) abbilden wollen.
Wir hören inzwischen von Kunden sehr häufig, dass sich Benutzer selbstständig bei öffentlichen Clouddiensten (z.B. Dropbox, Whatsapp, Facebook, Tumblr) bedienen und diese für interne Zusammenarbeit nutzen. Da dies aus Unternehmenssicht in den wenigsten Fällen akzeptabel ist, konkurriert die interne IT (und damit indirekt auch der Systemhaus-Partner) mit all diesen Diensten und ist schon fast gezwungen, möglichst zeitnah Alternativen zu schaffen.
Ausfällig für uns ist, dass viele Systemhäuser diesen Trend entweder ignorieren oder derzeit nicht die Notwendigkeit für entsprechenden Kompentenzaufbau sehen. Spannend wird es dann, wenn die ersten Kunden fragen, ob „dieses SharePoint Online“ in Ihrem Fall nicht besser und preiswerter wäre und ob man damit nicht endlich eine Alternative zu Dropbox schaffen könnte.
Es bleibt noch zu sehen, ob es sich hier ähnlich zu Zeitungsverlagen verhält: Selbst als der Erfolg des Internets als Newsquelle absehbar war, haben immer noch genug Verlage an dem traditionellen Zeitungsgeschäft als einzige Einnahmequelle festgehalten – das Ergebnis ist bekannt.