“Abstellgleis”? – oder wie Christian Buckley treffender sagt: “SharePoint is stepping back from the limelight”
Veränderungen sind manchmal unangenehm, vor allem, wenn sie in einem völlig intakt erscheinenden geschäftlichen Umfeld das “Business as usual” stören. Meine – zugegebenermaßen sehr zugespitzte – Computerwoche-Überschrift “Microsoft stellt Sharepoint aufs Abstellgleis” als (Teil-)Fazit der Sharepoint Conference hat bei manchen Kunden und Dienstleistern im Sharepoint-Umfeld für Verunsicherung und in Folge für Unruhe gesorgt, weil sie eine Veränderung – oder “Disruption” – beschreibt, die für viele erst einmal unerwünscht erscheinen mag. (Bei vielen fand sie im Übrigen Zustimmung). Im Kern ging es dabei um einen de facto stattfindenden, fundamentalen Umbau der Sharepoint-Plattform als Kern von Office 365 – und zwar einen, den Microsoft seit einiger Zeit betreibt und nach all dem, was auf der Konferenz in Las Vegas zu sehen und zu hören war, inzwischen forciert.
Dass die gesamte Plattform in Bewegung geraten ist, dürfte niemand ernsthaft bestreiten. Die speziell aus deutscher Perspektive primäre und sensible Frage in dieser Thematik ist allerdings, ob und wie sich das auf den Sharepoint Server (“On Premise”) auswirkt. Um hier die große bestehende Kundenbasis bei der Stange zu halten, hat Microsoft die nächste Release-Periode “Sharepoint 2016”(?) mit einer realistischen Laufzeit bis zirka 2019 zunächst einmal unmissverständlich geklärt. (Und wer meinen Artikel gelesen hat, dürfte auch verstanden haben, dass ich selbst das nie in Zweifel gezogen habe.) Für Kunden, die Lösungen auf Sharepoint Server betreiben oder planen, heißt das unter Berücksichtigung von Microsofts bekannt langen Produkt-Supportzyklen erst einmal, dass alle Investitionen in die Plattform über die nächsten 15 Jahre gesichert sein dürften.
Wie sieht die SharePoint-Zukunft aus?
Und dennoch können all jene, die sich mit Zukunftsthemen wie Yammer und Delve (Codename „Oslo“) befassen, die Signale von Microsoft nicht ignorieren: Sharepoint (Online) wird sich als Kernelement dieser dynamischen Online-Collaboration-Plattform verändern und ein eine neue Rolle hineinwachsen. Das hat jeder aufmerksame Teilnehmer der Sharepoint Conference gesehen und gespürt, und deshalb sind während und nach der Konferenz die Diskussionen um die Rolle und Bedeutung von Sharepoint weitergegangen.
“Everyone wants to understand the future roadmap of SharePoint” – so eröffnet deshalb auch der als intimer Sharepoint-Kenner bekannte MVP Christian Buckley seinen aktuellen Artikel auf CMS Wire “The Future of SharePoint and the Social Pivot”. Er stellt mit dieser Eröffnung zunächst einmal fest, dass die zukünftige Roadmap – anders als von einigen aus der Branche behauptet – alles andere als klar und unmissverständlich formuliert vorliegt. Im folgenden analysiert er dann sehr gut die aktuelle, sehr dynamische Situation und stellt interessante Überlegungen an, in welche Richtung sich Sharepoint bewegen wird:
Buckleys Fazit: SharePoint als “Social Fabric”
“Die teilweise Ablehnung der Sharepoint-Strategie aus der Community ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass die Leute verstehen wollen, wie die zukünftige Ausrichtung der Plattform und aller Features in das Muster der bisherigen Sharepoint-Versionen passt. Die kurze Antwort ist: Sie tut es nicht. Während nämlich die zugrundeliegende Sharepoint-Architektur intakt bleibt, wird sich die Art und Weise, wie wir über die Plattform denken, fundamental wandeln.
Prognosen von einigen Seiten, wonach Sharepoint verschwinden und Yammer nach vorne treten wird, kann ich aber nicht nachvollziehen. Es ist wahr, dass Sharepoint aus dem Rampenlicht treten wird, um die Bühne mit der gesamten Office 365-Plattform inklusive Exchange Online, Lync, Yammer und auch OneDrive for Business zu teilen. Allerdings lautet meine Vorhersage, dass Sharepoint Services die primäre Story hinter Ihren Einsatzszenarien von Records-Management bis Dokumentenzusammenarbeit [als Kunden] sein wird. […] Obwohl Sie das Wort Sharepoint nicht mehr überall auf dem Bildschirm sehen werden, wird Sharepoint ein zentraler Bestandteil der ‘Social Fabric’ Story von Microsoft über die nächsten Jahre sein.”
Strategie klar formulieren und sauber kommunizieren
Bis dahin gibt es für Microsoft noch einiges zu tun, um eine klare Strategie zu formulieren und diese sauber zu kommunizieren, wie auch Buckley anmerkt: “They did not yet have answers for all features — but that they seek customer and community feedback”. Da an Sharepoint nicht nur für Microsoft, sondern auch für die Partner und Kunden sehr viel hängt, werden in der Zwischenzeit die Diskussionen weitergehen. Und Microsoft sollte dankbar dafür sein, eine derart lebhafte und überwiegend konstruktive Community zu haben, die ihnen das erforderliche Feedback für die Weiterentwicklung liefert.
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Das Produkte einen endlichen Lebenszyklus haben, ist ja nichts Neues. Dies galt z.B. für Lotus / IBM Notes (war irgendwann mal richtig super) und wird auch für SharePoint irgendwann gelten. Was Kunden – und übrigens auch Microsoft Partner / Anbieter – übel nehmen, ist eine quasi Abkündigung ohne das „höherwertige“ Alternativen bereitstehen. Zum Vergleich: Ich mag mein altes Auto sehr, aber wenn es eine tolle Alternative beim Händler gibt – OK, dann wechsle ich eben. Verfahrensweisen wie z.B. jetzt bei InfoPath (abgekündigt ohne jede Alternative) kann niemand brauchen – außer der Konkurrenz. Die Richtung, in die Microsoft sich da bewegt, ist absolut richtig. Auf dem Weg sollte man die bestehenden Kunden und Partner sowie deren erhebliche Investitionen nicht aus dem Auge verlieren. Wenn APIs und Features stabil bleiben, spricht nichts dagegen, SharePoint „as we know it today“ in eine Reihe von Azure-basierten Services aufzulösen. Das dann allerdings alternativ auch in in private Clouds – und zwar komplett, nicht nur ein Subset.
Hallo zusammen,
Mir fehlt noch ein Aspekt bei dieser Diskussion. Es geht hier immer nur um on-premise vs. Cloud.
Für mich stellt sich die Frage, wie die SharePoint Hoster mit der aktuellen Diskussion umgehen. Aktuell nutzen diese ja immer die On-premise Produkte plus eigener Erweiterungen, bzw. Hosting packages.
Wenn die Hoster als Service Provider wegfallen sollten, dann gibt es nur noch Office365 von Microsoft. Das sich gerade entwickelnde Geschäftsmodell der Hoster als alternative Service Provider für SharePoint Online sehe ich mit diesen Ansätzen bzw. nicht klaren Aussagen von MS sicherlich auch als gefährdet an.
Liebe Grüße
Andreas Essing
IF-Blueprint AG
@Frank: Wer die Plattform etwas kennt, sieht schnell das riesige Potenzial, das z.B. in einem „Zerlegen“ in Services steckt. Die große Herausforderung ist m.M.n. tatsächlich die, wie man der treuen Kundschaft den Umstieg vom „soliden/monolithischen“ Sharepoint zu einem „Sharepoint-Baukasten“ vermittelt, sofern man diesen Weg beschreitet. Und natürlich, @Andreas, ob so ein Baukasten dann auch Hostern im bisherigen Stil zur Verfügung gestellt wird.
Ich fand den Vergleich von Frank zu IBM recht treffend. Wir erleben das zusammen mit unserem Partner seit langer Zeit und ich meine, dass Microsoft hier einen riesengroßen Fehler macht, einfach keine Alternativen anzubieten.
Die genannte „Abkündigung“ führt doch real dazu, dass kein Unternehmen mehr ernsthaft in SharePoint investiert – sei es als Ersatz für Legacy-Applikationen, zur Konsolidierung. Diese Projekte haben ja nunmal die Eigenschaft, dass sie strategisch gelagert sind und nicht selten über viele Jahre geplant und budgetiert werden, bevor da mal etwas Spruchreifen zu sehen ist.
Welches Unternehmen wird wohl in SharePoint jetzt noch investieren, wenn Microsoft sich nicht klipp und klar dazu committed, wie es weiter geht. SharePoint 2015 die letzte on-premise Version? Nur noch Cloud? Hybrid? Parallel? Und dann auch noch die Tatsache, dass man seit der Version 2007 eigentlich nicht wirklich verbessert hat, sondern alte Probleme im Grunde „mitmigriert“ hat.
Aus meiner Sicht vollkommen unplanbar (aus Sicht der IT) und unverantwortbar, da weiter zu machen (aus kaufmännischer Sicht auf längere Sicht betrachtet).
Allerdings bin ich gespannt, ob der Markt nicht doch irgendwann zwecks Alternativlosigkeit Office 365 annehmen wird. Ich wage es zu bezweifeln.