Microsoft zwingt Partner zum Strategiewechsel: "Manche bleiben erfolgreich, einige gehen unter"
Microsoft revolutioniert gerade seine Geschäftsstrategie und wandelt sich vom Plattformanbieter zum Utility-Provider. Das führt zu gravierenden Umwälzungen in der Partnerlandschaft, wie der IT-Marktanalyst Axel Oppermann in einem Artikel beschreibt. Partner müssten sich jetzt entscheiden, ob sie sich als strategischer Berater im Markt behaupten wollen, zum Microsoft-Erfüllungsgehilfen mutieren oder sogar untergehen werden.
Für Microsoft-Partner, die IT-Lösungen anbieten, laufen die Geschäfte aktuell recht gut, so Oppermann. jedoch unterschätzen viele aus der momentanen Position der Stärke heraus die rapide zunehmenden strategischen und operativen Risiken, erläutert er in einem ausführlichen analytischen Artikel auf LinkedIn.
„Noch 12 Monate zwischen Erfolg und Untergang“
Die tatsächliche Lage stelle sich hingegen ganz anders dar, nämlich sehr kritisch, konstatiert er gleich zu Beginn: „Die kommenden zwölf Monate entscheiden darüber, welche Microsoft-Partner langfristig relevant und erfolgreich bleiben, und welche bestenfalls zur Randnotiz mutieren, sich durch Fusionen retten oder sogar untergehen.“
Als Schlüsselproblem nennt er die deutlichen Margenunterschiede, die selbst innerhalb derselben Partnerkategorien zu verzeichnen sind, ob bei Sofwareherstellern (Independent Software Vendors – ISV), Lösungsanbietern (Software Integrators – SI) oder Managed Service Providers (MSP). Die Ursachen dafür liegen in Effizienzunterschieden, aber auch in ungleichen Positionierungen gegenüber Microsofts Strategie.

Axel Oppermann ist IT-Marktanalyst bei Avispador und berät Technologieunternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen
Wer sich an Microsoft anlehnt, verliert Innovationskraft
Wer sich zu eng an Microsoft anschmiegt, wird Probleme bekommen. Partner, die ihre Prozesse und Services strikt entlang der Microsoft-Vorgaben ausrichten, verlieren mittelfristig ihre Innovationskraft und erhöhen ihr Geschäftsrisiko. Wer nicht in der Lage ist, sich mit Innovation und Eigenleistungen zu differenzieren, gerät in die Margenfalle. Solche Anbieter können dann keine Skaleneffekte mehr erzielen und ihre Neuentwicklungen nicht mehr nachhaltig finanzieren.
Microsoft wird den Druck auf Partner massiv erhöhen
Microsoft wird nun den Druck auf die Partner massiv erhöhen, indem es Partnerangebote gezielt verdrängt. Sie übernehmen diese als eigene Angebote, oder durch Integration in eigene Produkte. Parallel etabliert Microsoft neue Standards und Zertifizierungen, um Partner zu teuren Anpassungen zu zwingen. In der Folge steigen Kosten, die Abhängigkeit nimmt zu.
Rabatte sind kein Dankeschön, sondern ein Druckmittel
Microsoft setzt Provisionen, Rabatte und Rückvergütungen nicht als Dankeschön ein, sondern als Druckmittel. Wer liefert, was Microsoft fordert und sich den Vorgaben unterwirft, erhält Incentives und Informationen, alle anderen werden ausgebremst. Diese Mechanik belohnt Konformität, nicht Innovation.
Incentives fördern Konformität, nicht Innovation
Die Kosten für Partner, um nah an Microsofts Produktstrategien zu bleiben, steigen erheblich. Partner, die in Technologiekompetenz, Vertriebsschulungen und Marktzugang investieren, können profitieren. Wer zögert oder finanziell schwächer aufgestellt ist, droht abgehängt zu werden.
Microsoft mutiert vom Plattformanbieter zum Versorger
Microsoft vollzieht einen fundamentalen Wandel vom Plattformanbieter zum kritischen Versorger, neudeutsch Utility Provider. Während Plattformanbieter offene, skalierbare Infrastrukturen anbieten, offerieren Utility-Anbieter unverzichtbare, zentral gesteuerte Dienste mit langfristiger Kundenbindung. Ein Beispiel dafür sind Stromtarife, hier ergänzt um IT-typische Charakteristika wie Token-basierende Lizenzierungen, AI-Credits oder nutzungsabhängige Compute-Einheiten.
Zentral gesteuerte Dienste mit langfristiger Kundenbindung
Wirtschaftlich verwandelt sich Microsoft vom Betreiber einer technischen Plattform zum Wertschöpfungsmodellierer. Sie werden damit zum Anbieter unverzichtbarerer Produkte und Services innerhalb der digitalen Infrastruktur. Gleichzeitig legen sie neue Spielregeln fest, auch was Preise, Margen und Standards betrifft.
Partner werden abhängig und Infrastrukturen alternativlos
Über den Versorgerstatus sind sie in der Lage, Kunden technisch und vertraglich in langfristige Abhängigkeiten zu zwingen, da Produktions-, Compliance- und Sicherheitsprozesse eng mit der Microsoft-Infrastruktur verwoben sind – ähnlich wie Häuser am Stromnetz.
Diesem Umstieg zum neuen Modell gehen massive Investitionen in mehreren Bereichen voraus. Das betrifft Azure-Infrastrukturen, eigene KI-optimierte Chips und Netzwerke sowie KI-Lösungen wie Azure OpenAI und Microsoft Fabric. Microsoft stellt damit digitale Ressourcen bereit, deren Nutzung für die Kunden praktisch alternativlos werden.
Wie Partner ihre Portfolios an neue Spielregeln anpassen
Microsofts Strategiewechsel zwingt Partner zum Handeln. Jene, die nicht reagieren, werden im schlimmsten Fall zu Erfüllungsgehilfen degradiert, die sich mehr mit der Umsetzung und weniger mit Innovation beschäftigen. Nur wenige klar differenzierte und spezialisierte Partner sind unter den neuen Rahmenbedingungen in der Lage, eigenständige und margenträchtige Positionen zu behaupten.
Fachlich sollten Partner folgende Schritte tun, um die Neuausrichtung von Microsoft für das eigene Geschäft bestmöglich zu nutzen:
- Systemintegratoren müsse tiefere technische und architektonische Kompetenzen aufbauen, um Microsoft-Lösungen nicht nur zu implementieren, sondern auch aktiv zu gestalten. Ein Beispiel ist die Beherrschung komplexer Hybrid-Cloud-Architekturen und KI-gesteuerter Automatisierungen wie Microsoft Fabric.
- ISVs sind gefordert, sich durch komplementäre Innovationen abzugrenzen, etwa mit branchenspezifischen Erweiterungen oder regulatorisch orientierten Anwendungen, die Microsoft nicht adressiert. Die Gefahr ist, dass sie durch enge Vorgaben, Lizenzmodelle und Entwicklungszyklen von Microsoft werden sie in ihrer Innovationsgeschwindigkeit eingeschränkt.
- MSPs müssen ihre Angebote um fortlaufende Steuerung, Optimierung und Governance der Microsoft-Technologien erweitern, etwa durch spezialisierte Managed Services in den Bereichen Compliance, Datenschutz oder KI-Modelloptimierung. MSPs ohne nachhaltige Wertschöpfungserweiterung werden mittelfristig zu austauschbaren Vermittlern degradiert.
Die neue Microsoft Strategie: Von Kooperation zum Lock-in
Die Entwicklung Microsofts folgt einer iterativen Entscheidungslogik. In der frühen Phase dominiert eine kooperative Strategie, bei der Microsoft Plattformen offen gestaltet und eine breite Partner-Community ermöglicht. Ein Beispiel wäre die Öffnung von Azure für externe Entwickler.
Im weiteren Verlauf erhöht Microsoft sukzessive den strategischen Einsatz. Die Plattform wird um proprietäre Innovationen ergänzt, etwa spezielle KI-Funktionen wie Azure OpenAI oder Microsoft Fabric, oder eigene KI-optimierte Chips. Das verringert schrittweise den Spielraum möglicher Alternativen, nationale Cloud-Anbieter werden zunehmend in spezialisierte Nischen gedrängt.
Proprietäre KI-Innovationen verdrängen Alternativen
Somit steigen die Wechselkosten für Kunden und Partner rapide an, die Folge ist eine klassische Lock-in-Dynamik. Die Zahl der rationalen Alternativen schrumpft, weil der Wechsel kostspielig wird, und die strategische Integration der Microsoft-Technologien in Kernprozesse und Geschäftsmodelle eine Abkehr nahezu unmöglich macht.
Microsofts strebt die kalkulierte Plattformdominanz an
Mit dem Wechsel vom Plattformanbieter zum Utility-Provider verfolgt Microsoft eine neue Dominanzstrategie. Diese folgt der neuen KI-Ökonomie, in der sich alles um die Kontrolle der Daten, der erforderlichen Rechenleistung und der kritischen Softwareschicht dreht.
Mit Azure, Microsoft 365, der Copilot-Familie, Fabric und Foundry hat Microsoft jene zentrale Infrastruktur geschaffen, die langfristige Wertschöpfungsketten deutlich zugunsten des Konzerns verschieben könnte. Mit der vertikalen Integration von Datenmanagement, Rechenkapazitäten, KI-Modellen sowie Software- und Hardwarekomponenten entsteht eine Marktmacht, die die Wettbewerbsvorteile anderer Anbieter zunehmend erodiert.
Hersteller-Lock-in: Wechselkosten für Partner und Kunden steigen rapide an
Die Folge: Der strukturelle Einfluss Microsofts auf die generative KI-Landschaft wächst deutlich – zulasten der strategischen Autonomie von Partnern und Kunden. Für Partner entsteht zunehmend der systematische Zwang, ihre Geschäftsmodelle nach den Vorgaben von Microsoft auszurichten.
- SIs müssen Prozess eng an die Azure-Plattform binden, um relevant zu bleiben.
- ISVs sind gezwungen, ihre Anwendungen Microsoft-kompatibel zu gestalten.
- MSPs verlieren eigene Spielräume und geraten innerhalb der Grenzen von Microsofts Serviceportfolio in starke Konkurrenz.
Dies führt zu steigenden Wechselkosten und reduziert den Grenznutzen eigener Aktivitäten außerhalb der Microsoft-Plattform drastisch. Um ihre Relevanz gegenüber Kunden zu sichern und sich von Microsoft zu emanzipieren, sollten Partner konkrete Schritte einleiten.
So bleiben Microsoft-Partner handlungsfähig:
Systemintegratoren (SIs):
- Sofortige Evaluation und Pilotprojekte mit mindestens zwei alternativen, nicht-Microsoft-basierenden Cloud-Plattformen zur Validierung konkreter Alternativen
- Laufende Aktualisierung des Deal-Desk-Playbooks durch wöchentliche Einpflege neuer Azure-SKUs zur langfristigen Margensicherung
- Klare Abgrenzung gegenüber Microsoft FastTrack, um Microsofts Ansprüche auf geistiges Eigentum zu vermeiden
Independent Software Vendors (ISVs):
- Durchführung eines API-Lock-Risk-Scans zur transparenten Dokumentation kritischer Abhängigkeiten bei Azure Services.
- Rapid Prototyping von Anwendungen auf Basis offener Technologien
- Erstellung einer Roadmap zur Entkoppelung von Azure APIs
Managed Service Provider (MSPs)
- Test von SLR-Automatisierungen mit Azure Monitor und Grafana, um SLAs skalierbar zu gestalten
- Gezielte Verhandlungen mit Drittanbietern, um Multi-Cloud-Angebote aggressiv und kosteneffizient aufzubauen
Schlussbemerkung: „Weckruf zur strategischen Wachsamkeit“
Axel Oppermann weist darauf hin, dass es ihm nicht um eine generelle Empfehlung zur Abnabelung von Microsoft geht, sondern um einen Weckruf für mehr strategische Wachsamkeit.
„Entscheidend ist, dass Anwender und Partner verstehen, wohin und weshalb sich Microsoft entwickelt – und dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt immer schwieriger wird, sich dem Sog dieser Entwicklung zu entziehen.
Warum nur 12 Monate? Weil Microsoft innerhalb dieses Zeitraums höchstwahrscheinlich sein Partner-Konstrukt grundlegend überarbeitet. Gleichzeitig werden sich Nachfragemuster der Anwender deutlich verändern. Partner, die dann darauf vorbereitet sind, können diesen Moment für sich nutzen, um Umsatz zu generieren und erfolgreich daran zu partizipieren.“
In Kürze folgt der zweite Teil, der die Veränderungen für die Anwenderunternehmen, also die Microsoft-Kunden, beleuchtet.

