SharePoint im Standard nutzen oder anpassen? Die 4 grundlegenden W-Fragen und die Antworten
SharePoint bringt Out-of-the-Box eine Vielfalt an Funktionen mit, die die grundlegenden Anforderungen zur Zusammenarbeit und Kommunikation im Unternehmen abdecken. Doch in der Praxis benötigen viele Unternehmen darüber hinausgehende Funktionen, die individuelle Anpassungen von SharePoint erforderlich machen. Der folgende Beitrag liefert einen Überblick über die Möglichkeiten von SharePoint-Anpassungen und zeigt die Grenzen und auch die jeweiligen Nachteile der Methoden.
*Von Sergey Golubenko
1. Warum SharePoint anpassen?
Je nach Einsatzgebiet sind die Anforderung an individuellen Anpassungen mal geringer und mal höher. Der Aufbau eines Ticketsystems beispielsweise ist komplexer als die Implementierung eines Dokumentenmanagement-Systems oder eines Intranet-Portals. Zunächst einmal steht dabei die Frage im Vordergrund, welche typischen Probleme und Defizite bestehen, die Erweiterungen erforderlich machen:
- Geringe Benutzerakzeptanz: Anpassungen helfen dabei, intuitiv bedienbare Benutzerschnittstelle zu erstellen, das Nutzererlebnis zu verbessern und dadurch Mitarbeiter zur aktiven Nutzung von SharePoint zu motivieren.
- Schlecht organisierte Workflows: Die Integration von SharePoint mit anderen Tools ermöglicht es, Geschäftsprozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. In diesem Fall sind Anpassungen erforderlich, um den reibungslosen Betrieb integrierter Systeme sicherzustellen.
- Schwierigkeiten bei der Migration von Daten und Workflows: Anpassungen können helfen, eine nahtlose Übertragung von Inhalten, Workflows und benutzerdefinierten Funktionen zu gewährleisten, wenn eine SharePoint-Lösung auf eine neuere Version der Plattform oder in die Cloud migriert wird.
- Hybrid- versus Cloud-Betrieb: In vielen Szenarien ist es aus Compliance- oder Sicherheitsgründen erforderlich, Daten im Unternehmen zu speichern, beispielsweise in medizinischen Einrichtungen oder im Finanzsektor.
2. Was kann man alles anpassen?
Zu den wichtigsten SharePoint-Elementen, die angepasst werden können, zählen:
- Design: Das Anpassen des SharePoint Designs, auch Branding genannt, umfasst eine Reihe von SharePoint-Elementen wie Logos, Stile, Farben, Master-Seiten und Seitenlayouts. Auf diese Weise kann man ein einheitliches Erscheinungsbild schaffen, das zur Corporate Identity passt.
- Navigation: Die Anpassung der Navigationsleiste ermöglicht es, Optionen, Links und Überschriften hinzuzufügen und zu bearbeiten (verschieben, löschen, ausblenden), um schnell auf relevante Informationen zuzugreifen und damit die Navigation benutzerfreundlich aufzubauen und ein positives Nutzererlebnis zu schaffen.
- Seiteninhalte: Während benutzerdefinierte Seitenlayouts einfach zu erstellen sind, lassen sich individuelle Anforderungen mit eigens entwickelten Add-Ins umsetzen. Personalisierte Webparts dienen dazu, den Nutzern bestimmte Inhalte abhängig von Rolle oder Profil anzuzeigen, zum Beispiel Ereignisse, Nachrichten, Karten, Bildergalerien und ähnliches. Weitere inhaltliche Individualisierungen wären mehrsprachiger Support, erweiterte Analysen und Berichte, intelligente Suche, Chatbots, Personalisierung von Inhalten und andere Funktionen.
- Workflows: Tools wie SharePoint Designer, Microsoft Flow und Visual Studio eröffnen vielfältige Möglichkeiten, um individuelle SharePoint-Workflows zu erstellen, die im Standardumfang nicht verfügbar sind.
- Formulare: Wenn es um das Erstellen und Anpassen von Formularen geht, kommen PowerApps oder Microsoft Forms zum Einsatz. Damit lassen sich beispielsweise Kundenfeedback erfassen, die Zufriedenheit von Mitarbeitern messen, Veranstaltungen organisieren usw. Solche Formulare können in SharePoint-Webseiten eingebettet und auch auf mobilen Geräten verwendet werden.
3. Welche technischen Optionen der Anpassung gibt’s?
SharePoint bietet mehrere technische Ansätze an, die von einfachen Konfigurationen bis zu umfassenden Individuallösungen reichen. Bei der Definition des passenden Ansatzes spielen verschiedene Faktoren eine Rolle wie das Bereitstellungsmodell von SharePoint (Cloud oder On-Premises), Budget und Umfang der Anpassungen sowie Sicherheitsanforderungen. Jede der Optionen hat bestimmte Vor- und Nachteile, die im Folgenden skizziert sind:
a) Farm-Lösung
Bei der Bereitstellung einer SharePoint-Farmlösung handelt es sich um eine traditionelle Anpassungsmethode. Diese Option kann auch Teil einer hybriden Lösung sein, falls sich die Anforderungen mit Client-seitigen SharePoint-APIs nicht realisieren lassen.
Vorteile: Farm-Lösungen ermöglichen einen vollständigen Zugriff auf die serverseitige SharePoint-API. Damit stehen umfangreiche Anpassungsmöglichkeiten offen, mit sehr wenigen Einschränkungen.
Nachteile: Dieses Modell eignet sich nur für die On-Premises-Bereitstellung und erfordert umfassende technische Kenntnisse. Die Kosten sind in der Regel höher, auch für die Wartung. Insbesondere bei einer geplanten Migration in die Cloud ist von dieser Option abzuraten. Ein weiteres Risiko sind etwaige Fehler im Programmcode, wie sie sich negativ auf die gesamte Farmumgebung auswirken.
b) Sandbox-Lösungen (Solution)
Sandbox-Lösungen werden in einer isolieren Umgebung ausgeführt. Das ermöglicht die Einbettung von Anpassungen in eine Websitesammlung (Website Collection), ohne dass die Stabilität der gesamten Serverfarm beeinträchtigt wird.
Vorteile: Sandbox-Lösungen laufen in separaten Prozessen , was Flexibilität, Skalierbarkeit, Stabilität und Sicherheit erhöht.
Nachteile: Der funktionale Umfang von Sandbox-Lösungen ist begrenzt.
- Kein Zugriff auf Daten in einer anderen Websitesammlung.
- Der Zugriff auf Ressourcen am lokalen Rechnern und im Netzwerk ist eingeschränkt
- Das Aufrufen von Modulen in nicht-verwaltetem Code ist nicht möglich.
c) SharePoint Add-Ins
Dieses Entwicklungsmodell ist relativ neu und dient dazu, den Funktionsumfang durch SharePoint Add-Ins (früher als Apps für SharePoint bezeichnet) zu erweitern. Die Kommunikation mit SharePoint kann über die Schnittstellen CSOM oder REST-API erfolgen. Im Unterschied zu Farm- und Sandbox-Lösungen wird der Code hier auf Client-Seite ausgeführt. SharePoint Add-Ins können auf zwei Arten gehostet werden:
- Auf SharePoint gehostete Add-Ins werden auf einem SharePoint-Server isoliert ausgeführt und ermöglichen es, interne SharePoint-Komponenten wie Seiten, Listen, integrierte Webparts, Workflows und integrierte Spalten zu ändern. Dabei ist kein serverseitiger Code erforderlich.
- Externe Provider-gehostete Add-Ins werden von einem externen Provider bereitgestellt und enthalten Komponenten außerhalb der Serverfarm werden, etwa eine Webanwendung oder eine Datenbank.
Vorteile: Der Funktionsumfang der SharePoint-Umgebung lässt sich mit Add-Ins deutlich erweitern. Sie lassen sich über die Benutzerschnittstelle installieren und sowohl On-Premises als auch in der Cloud ausführen. Da Add-Ins isoliert sind, wirkt sich der Wechsel einer SharePoint-Version nicht aus. Ein weiterer Vorteil ist, dass das App-Modell auch weiterhin von Microsoft unterstützt wird.
Nachteile: Die Anpassung durch Add-Ins kann bestimmte Schwierigkeiten für On-Premises-SharePoint-Server mit sich bringen. Wenn Sie beispielsweise Apps von SharePoint-Servern fernhalten, kann das die Performance beeinträchtigen, weil die Auslastung von SharePoint gemeinsam mit Apps verwaltet werden muss.
d) SharePoint-Framework (SPFx)
SharePoint-Framework ist ein neues Modell für die Client-seitige SharePoint-Entwicklung und kommt oft zum Einsatz, um SharePoint-Webparts zu erstellen. SPFx-Komponenten können alle Client-seitigen APIs verwenden, um auf SharePoint-Daten zuzugreifen.
Vorteile: SPFx ist gut dafür geeignet, moderne komplexe Webparts für Unternehmen zu bauen, die zuverlässig und schnell sind. Das Testing geht schnell, und mit SPFx entwickelte Apps sind auch mobil-fähig.
Nachteile: Es ist schwierig, gute, erfahrene Entwickler für diese moderne Art der Client-seitigen Programmierung zu finden.
4. Welche Einschränkungen und Risiken gibt es bei SharePoint-Anpassungen?
Neben den vorgestellten Möglichkeiten durch SharePoint-Anpassung sind auch potenzielle Nachteile und Risiken zu beachten:
- Aufwand und Kosten: Die Implementierung einer SharePoint-Lösung kann viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn viele Anpassungsmöglichkeiten genutzt werden. Das Testen benötigt viel Zeit. Auch sind Anpassungen in der Regel nicht billig.
- Einschränkungen mit der Modern UI: Derzeit gibt einige Funktionen, die sich nur in der klassischen SharePoint-Oberfläche umsetzen lassen. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte Funktionen im klassischen Menüband (Ribbon), einige Spaltentypen, angepasste Navigationslinks sowie das feinstufige Berechtigungskonzept in den klassischen SharePoint-Sites.
- Mangel an Spezialisten: Es ist heute immer noch nicht einfach, qualifizierte SharePoint-Spezialisten zu finden, die professionell Anpassungen vornehmen können. Außerdem muss es sichergestellt werden, dass das interne Team in einem Unternehmen die individuell angepasste Lösung weiter kompetent unterstützen kann.
- Probleme nach Online-Updates:Immer wieder kommt es vor, dass nach Updates von SharePoint Online Kompatibilitätsprobleme auftreten, die sich auf installierte Anpassungen auswirken. Dasselbe gilt auch für Webparts von Drittanbietern aus dem SharePoint Store.
- Geringere Leistung: Die Anpassungen können zu Performance-Problemen und Fehlern auf Seiten in der SharePoint-Umgebung führen. Änderungen im Look & Feel können eine langsamere Ladezeit von Seiten verursachen.
- Auswirkungen auf die Migration. Die Migration einer angepassten lokalen On-Premises-SharePoint-Lösung in die Cloud kann eine Herausforderung darstellen. So müssen beim Umzug in die neue Umgebung zum Beispiel oft Workflows neu erstellt werden.
Fazit
Obwohl SharePoint vielfältig Funktionen bereits im Standardumfang anbietet, müssen SharePoint-Lösungen häufig an Bedürfnisse und Anforderungen eines Unternehmens angepasst werden. Die gute Nachricht: Es gibt eine breiten Palette von Anpassungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen SharePoint-Komponenten. Welche Anpassungen und wann ins Spiel kommen, hängt von solchen Faktoren wie Bereitstellungsmodell, Budget, Sicherheitsanforderungen, Umfang von Anpassungen und dergleichen ab. Wichtig ist es dabei, auch Einschränkungen und Risiken zu berücksichtigen, um Probleme zu vermeiden.
*Über den Autor:
Sergey Golubenko ist Teamleiter und Lösungsarchitekt bei ScienceSoft mit über 13 Jahren Erfahrung in der Softwareentwicklung. Sein SharePoint-Projektportfolio umfasst Content- und Workflow-Management, Suche, Collaboration und Business Connectivity Services.