Wie Microsoft Cortex das Wissensmanagement revolutioniert und dafür auch neue Rollen erfordert

Künstliche Intelligenz soll in den nächsten Jahren viele manuelle Aufgaben am digitalen Arbeitsplatz automatisieren. Ob damit auch Büroarbeitsplätze verloren gehen, ist noch unklar. Dass sogar neue Arbeitsplätze entstehen werden – speziell in Richtung Wissensmanagement –, erwartet Microsoft in Verbindung mit Project Cortex. Den noch steinigen Weg dorthin und die entstehenden neuen Rollen hat David Lavenda in seinem neuen CMSwire-Beitrag beschrieben.

Das aktuell noch in Entwicklung befindliche Project Cortex (mehr Details in unserem Bericht von der Ignite) verspricht eine automatisierte Analyse aller im Unternehmen lagernden Informationen aus Dokumenten und Geschäftsdaten. Microsoft treibt aber nicht nur die Entwicklung der Plattform voran, sondern macht sich auch über die dafür erforderlichen neuen Kompetenzen Gedanken. Nach derzeitigem Stand sind in einer mit Cortex gemanagten Wissensumgebung folgende drei neue Rollen erforderlich:

Die neuen Rollen im Cortex-Knowledge-Network: Administration, Themen-Experten, Wissensmanager

Content Services Admin (auch „Knowledge Admin“) ist eine IT-Rolle, die mit dem Einrichten der und Betrieb der Wissensplattform befasst ist, und dabei auch Sicherheits- und Compliance-Standards verantwortet.

Der Wissensmanager (Knowledge Manager – KM) ist für die Qualität des Wissens in der Organisation verantwortlich. KMs organisieren die Taxonomie des Unternehmens, indem sie Themenvorschläge von den jeweiligen Fach-/Themenexperten erstellen, bearbeiten oder ablehnen. Die Jobdefinition ist nicht neu, aber in der Vergangenheit haben nur wenige Unternehmen solche Leute beschäftigt, um ihre Wissensbestände wie Dokumente und E-Mails zu klassifizieren. Das Cortex-Konzept sieht vor, dass jede Organisation einen Wissensmanager auf oberster Managementebene beschäftigt.

Themenexperten sind Mitarbeiter, die über ein umfassendes Verständnis für die in ihrem Fach- oder Geschäftsbereich wichtigen Informationen verfügen. Anders als traditionelle Experten müssen diese auch die Aufgabe übernehmen, das Wissen zu organisieren und zu kuratieren, indem sie die Themen für ihre Abteilungen definieren und betreuen.

[genericon icon=quote size=3x]In vielen Fällen werden SharePoint-Administratoren die erweiterte Aufgaben für die Content-Services-Administration übernehmen.

In vielen Fällen werden SharePoint-Administratoren die erweiterte Aufgaben für die Content-Services-Administration übernehmen. Mit dem Wissensmanager hingegen wird eine neuartige Rolle entstehen, weil es bisher in den wenigsten Unternehmen eine zentrale Funktion der Wissensverwaltung gibt. Ganz allgemeine dürfte auch die IT-Infrastruktur an Bedeutung als unmittelbar geschäftsfördernde Einheit gewinnen, weil Microsoft mit Cortex das Wissensmanagement ganz oben auf die Agenda setzen wird.

Die Herausforderung: Zusammenhänge herstellen

Wissen definiert sich als die sinnstiftende Verknüpfung von Informationen, so dass im Geschäftskontext damit Situationen analysiert und gut-informierte Entscheidungen getroffen werden können. Beim derzeitigen Stand der Technik ist es meist zu kompliziert, aus den vielen nicht zusammenhängenden Daten in E-Mails, Dokumenten, Ereignissen, Aufgaben und Kontakten Verknüpfungen herzustellen, da sie sich in unterschiedlichen Repositories befinden. Und selbst wo das möglich ist, ist das Aggregieren der Daten für eine Analyse in den meisten Unternehmen zu komplex.

Office 365 liefert die gemeinsame Datenstruktur

Microsoft hat mit der Microsoft 365-Suite die Voraussetzungen geschaffen, um E-Mails, Dokumente, Ereignisse, Aufgaben und Kontakte innerhalb einer gemeinsamen Datenstruktur zu speichern. Dazu kommt der Microsoft Graph, der Beziehungen zwischen Inhalten und Personen herstellt, indem er aufzeichnet, wer Inhalte erstellt, bearbeitet und freigegeben hat.

[genericon icon=quote size=3x]Was  dem Microsoft Graph bisher  fehlte ist das Herstellen von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen erfassten Elementen.

Was allerdings dem Graph bisher noch fehlte ist das Herstellen von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen erfassten Elementen. Denn erst aus dem Kontext kann sich die jeweilige geschäftliche Bedeutung von Dokumenten und anderen Elementen erschließen. Um diese Lücke zu füllen, stellt Poject Cortex die Themen und deren Vergabe in den Mittelpunkt. Sie stellen die Verbindung zwischen den relevanten Entitäten her. Ein Beispiel dafür wäre ein Projektplanungs-Dokument, bei dem der Name des Projekts für eines der Themen steht.

Verwaltung von Themen durch Experten ist der Schlüssel

Eine entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren dieses Konzepts ist, dass die Themen mit Unterstützung der jeweiligen fachlichen Experten definiert werden. Dabei müssen auch normale Mitarbeiter involviert sein, indem sie in ihrer täglichen Arbeit mit Dokumenten die Themen manuell vergeben. Das Verfahren erinnert an die Vergabe von Metadaten in SharePoint, um Dokumente beim Erstellen zu klassifizieren. Tatsächlich basiert ein Großteil der zugrunde liegenden Cortex-Themeninfrastruktur auf erweiterten SharePoint-Metadaten.

[genericon icon=quote size=3x]Im Lauf der Zeit werden Informationen aus vielen Anwendungen unter Themen zusammengefasst und gruppiert, ohne dass noch viel menschliche Interaktion notwendig ist.

Sobald eine gewisse Menge an Dokumenten und anderen Inhalten mit Themen ausgezeichnet wurden, kommt KI, maschinelles Lernen und NLP ins Spiel. Damit lassen sich dann Themen automatisch auf neue Inhalte anwenden. Im Lauf der Zeit werden auf diese Weise Informationen aus vielen Anwendungen unter Themen zusammengefasst und gruppiert, ohne dass dann noch viel menschliche Interaktion notwendig ist.

Die schwierige Aufgabe besteht darin, die Themen des Unternehmens über die vielen Abteilungen hinweg festzulegen, ständig aktuell zu halten und sicherzustellen, dass sie von vielen Mitarbeitern einheitlich definiert und angewendet werden. An dieser Stelle kommt der neue Wissensmanager ins Spiel.

Der Wissensmanager, neu interpretiert durch Cortex

Der Wissensmanager nach klassischem Verständnis war irgendwo im Umfeld Informations- und Bibliothekswissenschaften angesiedelt. Eine solche Rolle existiert nur noch in wenigen Unternehmen, ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, Informationen zu speichern und zu klassifizieren, damit sie gefunden werden können. Kaum berücksichtigt wird hingegen das Organisieren von Wissen zum Zweck einer strategischen Geschäftsplanung.

[genericon icon=quote size=3x]Cortex bietet nun einen einfachen Weg, um aus verschiedensten geschäftlichen Informationen Wissen zu generieren.

Cortex bietet nun einen einfachen Weg, um aus verschiedensten geschäftlichen Informationen Wissen zu generieren. Die Frage ist, ob Unternehmen dafür Wissensmanager im Top-Management benötigen, die das Organisieren des Unternehmenswissens verantworten. Das Ziel wäre dann, die geschäftliche Reaktionsfähigkeit zu steigern, fundiertere Entscheidungen zu treffen und wettbewerbsfähiger zu werden.

Microsoft muss noch einige Aufgaben lösen

Der Bedarf dafür ist durchaus da. Allerdings wird Microsoft noch mehrere Jahre benötigen, bis Cortex so wie geplant funktioniert. Denn die zugrunde liegenden Mechanismen sind komplex, so dass es selbst für Microsoft einen hohen Aufwand bedeutet, alle Teile in ein reibungslos funktionierendes Ganzes zu verwandeln. Zudem müssen Unternehmen nicht unerhebliche Summen investieren, um ihre IT-Infrastrukturen und auch Mitarbeiter für Cortex vorzubereiten.

Der Wissensmanager braucht politische Macht

[genericon icon=quote size=3x]In Zukunft entscheidet das Wissen, und nicht die Information, wie Budgets vergeben werden und welche Produkte und Dienstleistungen angeboten werden.

Eine ganz andere, aber wichtige Frage ist, ob der neue Typus Wissensmanager den notwendigen politischen Einfluss bekommt, um zu definieren, was Wissen für die gesamte Organisation bedeutet. Politisch ist das deswegen, weil derjenige, der das Wissen kontrolliert, letztlich die Organisation kontrolliert. In Zukunft entscheidet das Wissen, nicht die Information, wie Budgets vergeben werden, welche Produkte und Dienstleistungen angeboten werden und sogar wer wichtige Rollen besetzen wird.

Der neue Wissensmanager muss daher in einer Führungposition sitzen, um über Abteilungen und Geschäftsbereiche hinweg die erforderlichen Änderungen durchzusetzen. Wie das geht, zeigen als Präzedenzfälle die noch recht jungen Managementrollen wie CIO, CSO und CISO, die bereits großen Einfluss in der heutigen informationsgetriebenen Wirtschaft nehmen.

Vom Informationsunternehmen zum Wissensunternehmen

Es bleibt derzeit abzuwarten, ob Organisationen den Wandel von informationsgetriebenen zu wissensgetriebenen Unternehmen vollziehen werden. Wie immer reicht dafür Technologie alleine nicht aus. Denn die Transformation erfordert auch einen Wandel bei den Mitarbeitern und in den Geschäftsprozessen. Folgende Fragen müssen dazu noch beantwortet werden:

  • Werden die Experten der jeweiligen Fachgebiete die nötige Zeit dafür haben und den Aufwand betreiben, um aussagekräftige Themen zu erstellen?
  • Können sich Unternehmen auf eine Liste von Themen einigen, die ihr Geschäft definieren? Denn das Festlegen von Themen ist stets ein potenzieller Streitpunkt.
  • Wie genau passt der Wissensmanager in die CIO-Hierarchie? Wird er einen ausreichend starken Hebel bekommen, um notwendige Veränderungen anzustoßen?
  • Werden die einfachen Mitarbeiter Zeit und Mühe aufwenden, um Dokumente, E-Mails und Ereignisse mit Themen auszuzeichnen, die von Experten erstellt wurden? Die langjährige Erfahrung mit SharePoint zeigt, dass es meist sehr schwer ist, Benutzer zur konsequenten Nutzung von Metadaten zu bewegen.
  • Selbst wenn Mitarbeiter mitmachen, werden Sie dann die Themen in einer konsistenten Weise anwenden, damit die Cortex-KI-Engine damit arbeiten kann und genaue Themenvorschläge generiert?
  • Werden die von den Fachleuten und Wissensmanagern definierten Themen auch für die normalen Mitarbeiter intuitiv zu benutzen sein? Werden sie so intuitiv sein, dass Mitarbeiter tatsächlich schnell verwandte Informationen finden, ein Gesamtverständnis erlangen und auf dieser Basis bessere Entscheidungen treffen?

Erste Cortex-Anwendungsfälle in diesem Jahr

Wir haben hier eine Reihe von Hürden gesehen, und es liegen noch einige vor uns. Aber so wie Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, wird das auch beim Wissensunternehmen nicht passieren. Doch irgendwo muss man schließlich starten, und allein durch die führende Rolle Microsofts in der IT-Infrastruktur hat Cortex gute Chancen auf einen Erfolg. Wir können davon ausgehen, dass wir im Lauf des Jahres bereits erste laufende Anwendungsfälle in Unternehmen sehen werden.

wm@sharepoin
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